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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel
Autoren: Leif Davidsen
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eine andere Verbindung.«
    »Das geht dich nichts an!«
    Ihre Stimme klang wütend, aber sie schien auch frustriert darüber zu sein, daß er sich dort in Cuenca befand und daß sie am Handy nicht alles sagen konnte, was sie wollte, obwohl er mittlerweile verstanden hatte, woher der Wind wehte.
    »Und ob mich das was angeht, Vuldom. Und ob. Und das weißt du sehr gut!«
    »Soll ich’s dir erst schriftlich geben, Toftlund? Ich erteile dir hiermit den ausdrücklichen dienstlichen Befehl, dich in das nächste Flugzeug nach Kopenhagen zu setzen und den Fall den Spaniern zu überlassen. Hast du das verstanden?«
    »Nein, das habe ich nicht verstanden.«
    »Ich kann dir am Telefon keine detaillierte Erklärung geben, Menschenskind. Das weißt du selber. Aber wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen, und ich bitte dich und ich befehle dir, nach Hause zu kommen. Dieser Fall ist nicht unser Fall. Du mußt jetzt mal deine persönlichen Gefühle hintanstellen. Es geht um die nationale Sicherheit unseres wichtigsten Verbündeten. Laß die Finger davon! Hast du jetzt verstanden, Toftlund?«
    »Ich hab’s gefressen, Vuldom.«
    »Bis morgen. Auf Wiedersehen.«
    Toftlund drückte auf Gesprächsende und knurrte: »Blöde Kuh!« Juan sah ihn mit einem schiefen Grinsen an und sagte: » Et tu, Brute. «
    »Was ist los?«
    »Das ist Latein, du ungebildeter Däne. Et tu, Brute. «
    »Auch du, Brutus? Schon gut, ich verstehe. Auch du also?«
    »Als du schon im Flieger gesessen hast. Eigentlich hätte ich den Hubschrauber stoppen lassen und dich gleich wieder nach Hause schicken sollen. Na, sagen wir, ich habe es halt vergessen. Die geheimen Jungs aus Madrid haben den Fall übernommen. Wir tun, als würden wir dem Mord nachgehen, aber das tun wir nicht. Vuk hat sehr, sehr vornehme Freunde.«
    »Scheiße.«
    »Vielleicht nicht ganz stubenrein ausgedrückt, aber sehr treffend.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    Juan schlug ihm auf die Schulter, als wären sie Schuljungen.
    »Ich habe dir ein Zimmer im Parador reserviert. Im Restaurant ißt man hervorragend, gute regionale Küche, ich lade dich zum Essen ein. Hinterher kippen wir uns einen hinter die Binde und erzählen uns Räuberpistolen aus Soldatenzeiten. Und morgen setze ich dich in den Zug nach Madrid.«
    Sie hatten gegessen und getrunken, aber ihre Stimmung war derart gedämpft, daß sie nicht über das sprachen, worüber sie eigentlich am liebsten reden wollten. Es wäre zu schmerzhaft und ärgerlich gewesen, das große Warum von allen Seiten zu beleuchten. Vielleicht lag es an ihrer soldatischen Ausbildung. Befehlen zu gehorchen war ihnen zur zweiten Natur geworden. Auch wenn ihnen die Befehle eigentlich gegen den Strich gingen. Lise hatte immer gesagt, daß er einerseits sehr anarchistisch und andererseits sehr autoritätsgläubig war. Gegen ein Uhr nachts war Juan nach Hause gegangen, und Toftlund hatte sich die halbe Nacht in dem großen Doppelbett herumgewälzt und Sehnsucht nach Lise gehabt. Cuenca gehörte zu den vielen Stationen ihrer ersten gemeinsamen Spanienreise. Sie hatten beide viel für Spanien übrig, so daß die Reise ein ungeteiltes Vergnügen gewesen war. Er dachte an sein Leben und an Vuldom und an die verräterische Welt, an der auch er beteiligt war. Zwischen ihnen würde nie mehr dasselbe Vertrauensverhältnis wie früher möglich sein. Sie war sein Boß, aber er hatte sie auch als Freundin empfunden. Damit war jetzt Schluß. Er wußte nicht, ob er weiterhin an ihrer Geheimwelt teilnehmen wollte. Aber was sollte er dann machen? Er wünschte, er könnte sich und seine Gefühle besser analysieren. Er wünschte, er und Lise könnten neu beginnen. Er vermißte sie so schmerzlich. Warum würdigte man etwas erst, wenn man es verloren hatte? Und wie sollte er ihr erklären, daß sie recht gehabt hatte und er sich so schlimm geirrt hatte? Dabei durfte er es ihr nicht einmal erklären. Kein Wort durfte er der Frau, die er noch immer liebte, verraten.
    Kurz vor zehn stand er wie verabredet vor dem Parador und schaute auf die Brücke, die zur Altstadt führte. Er wartete auf Juan. Es war wieder ein schöner, warmer Morgen. Er betrachtete die faszinierenden hängenden Häuser, die regelrecht an die Felswand geklebt zu sein schienen, und die Kirchturmspitzen hinter der Stadtmauer. An der Mauer hing ein Reklameplakat. Eine junge blonde Frau. Lächelnd. Darunter ein Text, den er von hier aus nicht lesen konnte. Die erste Touristenfamilie ging über die rostrote Brücke und sah
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