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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Autoren: Jeffery Deaver
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Schule am Wochenende kein Unterricht statt. Einige der Studenten nutzten die Übungsräume, aber die lagen in einem anderen Gebäudeflügel. Der Mann beugte sich weiter vor, kniff die Augen zusammen und fragte sich, ob er wohl irgendeine Wesenheit erspähen würde, eine Art Seele, die sich von dem Körper der Toten löste. Fehlanzeige.
    Er richtete sich auf und überlegte, was er mit der leblosen Gestalt vor ihm sonst noch anfangen könnte.
    »Und Sie sind sicher, dass da jemand geschrien hat?«
    »Ja… nein«, sagte der Wachmann. »Es war nicht unbedingt ein Schrei, wissen Sie. Jemand hat aufgeregt etwas gerufen. Nur ein oder zwei Sekunden lang. Dann war es auch schon vorbei.«
    Officer Diane Franciscovich, eine Streifenbeamtin vom Zwanzigsten Revier, fragte weiter. »Hat sonst noch jemand etwas gehört?«
    Der schwergewichtige Wachmann atmete tief durch, sah die hochgewachsene brünette Polizistin an, schüttelte den Kopf, ballte die riesigen Pranken zu Fäusten und öffnete sie wieder. Dann wischte er sich die dunklen Handflächen an den blauen Hosenbeinen ab.
    »Sollen wir Verstärkung rufen?«, fragte Nancy Ausonio, ebenfalls eine junge Beamtin, aber kleiner als ihre Partnerin und blond.
    Eher nicht, dachte Franciscovich, blieb jedoch unschlüssig. Die Streifen in diesem Teil der Upper West Side hatten meistens mit Verkehrsunfällen, Ladendiebstählen und entwendeten Fahrzeugen zu tun (oder mussten die fassungslosen Eigentümer beruhigen). Das hier war neu für sie beide. Der Wachmann hatte die zwei Beamtinnen auf ihrer morgendlichen Runde erblickt und sie aufgeregt vom Bürgersteig nach drinnen gewinkt, damit sie ihm helfen würden, dem Schrei auf den Grund zu gehen. Nun ja, dem aufgeregten Rufen.
    »Lass uns damit noch warten«, sagte die ruhige Franciscovich. »Sehen wir erst mal nach.«
    »Es klang, als würde es irgendwo aus der Nähe kommen«, sagte der Wachmann. »Keine Ahnung.«
    »Gruseliger Schuppen«, warf Ausonio seltsam verunsichert ein. Eigentlich war sie diejenige im Team, die am ehesten in eine tätliche Auseinandersetzung eingreifen würde, selbst wenn die Streithähne doppelt so groß waren wie sie selbst.
    »Die Geräusche, Sie wissen schon. Schwer zu sagen, wo die herkommen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Franciscovich dachte immer noch über die Worte ihrer Partnerin nach.
Verdammt
gruselig, fügte sie im Stillen hinzu.
    Die dunklen Flure schienen endlos, doch es war nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Dann blieb der Wachmann stehen.
    Franciscovich deutete auf einen Durchgang vor ihnen. »Wohin geht’s dort entlang?«
    »Da treibt sich bestimmt keiner der Studenten herum. Es ist bloß…«
    Franciscovich stieß die Tür auf.
    Dahinter erstreckte sich ein kleines Foyer, an dessen anderem Ende eine Tür in den Vortragssaal A führte, wie die Aufschrift besagte. Und in der Nähe jener Tür lag eine gefesselte junge Frau mit einem Seil um den Hals, die Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Ihre Augen waren im Tode weit aufgerissen. Ein braunhaariger, bärtiger Mann Anfang fünfzig hockte über ihr. Überrascht blickte er auf.
    »Nein!«, rief Ausonio.
    »O mein Gott«, keuchte der Wachmann.
    Die Beamtinnen zogen ihre Waffen, und Franciscovich war erstaunt, wie ruhig ihre Hand blieb, als sie den Fremden anvisierte. »Sie da, keine hastige Bewegung! Stehen Sie langsam auf, gehen Sie von der Frau weg, und nehmen Sie die Hände hoch.« Ihre Stimme war bei weitem nicht so fest wie der Griff, mit dem sie die Glock Automatik umklammerte.
    Der Mann kam der Aufforderung nach.
    »Legen Sie sich auf den Bauch. Und ich will immer Ihre Hände sehen!«
    Ausonio lief auf das Mädchen zu.
    In dieser Sekunde bemerkte Franciscovich, dass der Mann die rechte Hand über dem Kopf zur Faust geballt hatte.
    »Öffnen Sie…«
    Puff…
    Ein gleißender Lichtblitz nahm ihr die Sicht. Er schien direkt aus der Hand des Verdächtigen zu entspringen und hing einen Moment in der Luft, bevor er erlosch. Ausonio erstarrte. Franciscovich duckte sich, wich zurück, kniff die Augen zusammen und schwenkte die Glock hin und her. Sie geriet in Panik, denn sie wusste, dass der Mörder rechtzeitig die Lider geschlossen hatte und nun ebenfalls eine Schusswaffe ziehen oder mit einem Messer auf sie losgehen würde.
    »Wo, wo, wo?«, rief sie.
    Dann sah sie – nur verschwommen, weil sie immer noch halb geblendet war und der Rauch sich ausbreitete –, dass der Täter in den Vortragssaal lief. Er schlug die Tür
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