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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Autoren: Jeffery Deaver
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Lincoln Rhyme gereizt fort, »befinde ich mich bei der Arbeit und habe im Hintergrund ein wenig Musik laufen. Was meinst du mit Zufall?«
    Der schlanke junge Betreuer, bekleidet mit einem weißen Hemd, gelbbrauner Stoffhose und leuchtend violetter Krawatte, deutete auf den Flachbildschirm vor Rhymes Flexicair-Bett. »Nein, er arbeitet nicht. Es sei denn, man wollte es als Arbeit bezeichnen, dass er seit einer Stunde ein und dieselbe Seite anstarrt.
Mir
würde er so etwas nicht als Arbeit durchgehen lassen.«
    »Kommando, umblättern.« Der Computer erkannte Rhymes Stimme und befolgte den Befehl, so dass die nächste Seite der
Forensic Science Review
auf dem Monitor erschien. »Möchtest du mir vielleicht ein paar Fragen zu dem Thema stellen, das ich da
angestarrt
habe?«, fragte er Thom bissig. »Die Zusammensetzung der fünf wichtigsten exotischen Toxine, die in letzter Zeit in den Labors europäischer Terroristen sichergestellt wurden?«
    »Nein, wir müssen uns um andere Dinge kümmern«, entgegnete der Betreuer und spielte damit auf die diversen Körperfunktionen an, die bei querschnittsgelähmten Patienten wie Lincoln Rhyme mehrmals am Tag spezieller Aufmerksamkeit bedurften.
    »Das hat noch ein paar Minuten Zeit«, sagte der Kriminalist und lauschte dabei einem besonders kraftvollen Trompetenriff.
    »Nein, hat es
nicht
. Bitte entschuldigen Sie uns kurz, Lon.«
    »Na klar.« Der massige, etwas derangiert wirkende Sellitto trat hinaus auf den Flur im ersten Stock von Rhymes Haus am Central Park West und schloss die Tür hinter sich.
    Während Thom fachkundig seine Pflicht tat, konzentrierte Rhyme sich weiterhin auf die Musik. Zufall?, grübelte er.
    Fünf Minuten später bat Thom den Detective wieder herein. »Kaffee?«
    »Gern, den kann ich gut gebrauchen. Es ist noch viel zu früh am Samstagmorgen, um schon mit der Arbeit anzufangen.«
    Der Betreuer verließ den Raum.
    »Also, wie sehe ich aus, Linc?«, fragte der nicht mehr ganz junge Sellitto und vollführte eine Pirouette. Er trug einen seiner typischen grauen Anzüge, die allesamt aus permanent zerknittertem Stoff gefertigt zu sein schienen.
    »Ist das hier etwa eine Modenschau?«, fragte Rhyme.
    Zufall?
    Dann lenkte ihn abermals die CD ab. Wie, zum Teufel, konnte jemand dermaßen weich auf einer Trompete spielen? Wie war es möglich, einem Metallinstrument solche Töne zu entlocken?
    »Ich habe rund sieben Kilo abgenommen«, erklärte der Detective. »Rachel hat mich auf Diät gesetzt. Das Hauptproblem ist das Fett. Man lässt einfach das Fett weg, und es ist erstaunlich, wie viel Gewicht man dann verliert.«
    »Fett, aha. Ich schätze, das ist keine ganz neue Erkenntnis, Lon. Also…?« Red nicht länger um den heißen Brei herum, sollte das heißen.
    »Wir haben einen bizarren Fall. Vor einer halben Stunde wurde hier ganz in der Nähe in einer Musikschule eine Leiche gefunden. Ich bin der leitende Beamte, und ein wenig Hilfe käme uns gerade recht.«
    Eine
Musikschule
. Und bei mir läuft soeben
Musik
. Ein ziemlich armseliger Zufall.
    Sellitto zählte ein paar Fakten auf: Studentin ermordet, der Täter beinahe verhaftet, aber dann doch noch auf irgendeinem Fluchtweg entwischt, den bislang niemand gefunden hatte.
    Musik war mathematisch. Das zumindest konnte Rhyme, der Wissenschaftler, nachvollziehen. Sie war logisch, sie war perfekt strukturiert. Und außerdem war sie allumfassend. Es musste eine unendliche Anzahl von Melodien geben, und das Komponieren wurde bestimmt nie langweilig. Rhyme fragte sich, wie man eine solche Aufgabe wohl am besten anpackte. Er selbst hielt sich in künstlerischer Hinsicht für vollständig unbegabt. Im Alter von elf oder zwölf Jahren hatte er Klavierstunden genommen und sich prompt in seine Lehrerin Miss Osborne verliebt, aber der eigentliche Unterricht war ein Fehlschlag gewesen. Mit dem Instrument verband sich für ihn nur eine angenehme Erinnerung, und zwar an die Stroboskopbilder der schwingenden Saiten, die er für ein Schülerforschungsprojekt aufgenommen hatte.
    »Hörst du mir überhaupt zu, Linc?«
    »Ein Fall, hast du gesagt. Ein bizarrer Fall.«
    Sellitto schilderte den Sachverhalt etwas ausführlicher und weckte allmählich Rhymes Interesse. »Es muss einen Weg aus diesem Saal geben, aber weder die Leute von der Schule noch unsere Jungs können ihn entdecken.«
    »Und der Tatort?«
    »Ist noch ziemlich unberührt. Kann Amelia sich ihn mal vornehmen?«
    Rhyme sah zur Wanduhr. »Sie ist noch ungefähr zwanzig
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