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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Autoren: Jeffery Deaver
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hinter sich zu, und man hörte, wie er mit einem Stuhl oder Tisch den Zugang blockierte.
    Ausonio kniete sich neben die junge Frau, schnitt mit einem Schweizer Armeemesser das Seil durch, rollte sie auf den Rücken, zog ein Einwegmundstück aus der Tasche und versuchte eine Wiederbelebung.
    »Gibt’s noch andere Ausgänge?«, fragte Franciscovich den Wachmann.
    »Nur einen… da hinten um die Ecke. Auf der rechten Seite.«
    »Fenster?«
    »Nein.«
    »He!«, rief sie Ausonio zu und rannte los. »Pass auf diese Tür auf!«
    »Alles klar«, erwiderte die blonde Beamtin und blies einen weiteren Atemzug zwischen die bleichen Lippen des Opfers.
    Von drinnen ertönte dumpfes Poltern, als der Mörder sich offenbar gründlicher verbarrikadierte. Franciscovich bog um die Ecke, hielt auf die Tür zu, die der Wachmann ihr genannt hatte, und forderte unterdessen über Funk Verstärkung an. Als sie den Kopf hob, entdeckte sie jemanden am Ende des Korridors. Sie blieb abrupt stehen, visierte die Brust des Mannes an und richtete den hellen Strahl ihrer Halogenlampe auf ihn.
    »Um Gottes willen«, krächzte der ältliche Hauswart und ließ seinen Besen fallen.
    Franciscovich war froh, dass sie den Finger nicht um den Abzugsbügel der Glock gelegt hatte. »Ist jemand aus dieser Tür gekommen?«
    »Was ist denn los?«
    »Haben Sie jemanden
gesehen
?«, rief Franciscovich.
    »Nein, Ma’am.«
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Ich weiß nicht. Zehn Minuten oder so.«
    Aus dem Innern des Raums war erneut Lärm zu vernehmen, weil der Täter immer mehr Mobiliar auftürmte. Franciscovich schickte den Hauswart zu dem Wachmann ins Foyer und näherte sich vorsichtig der Seitentür. Mit schussbereit ausgestreckter Waffe drehte sie langsam den Knauf. Es war nicht abgeschlossen. Sie trat beiseite, um nicht in der Schusslinie zu stehen, falls der Mann durch das Holz feuerte. Diesen Trick hatte sie bei
NYPD Blue
gesehen. Vielleicht hatte auch einer der Ausbilder auf der Akademie davon gesprochen.
    Wiederum Poltern von drinnen.
    »Nancy, hörst du mich?«, flüsterte Franciscovich in ihr Funkgerät.
    Ausonio meldete sich mit zitternder Stimme. »Sie ist tot, Diane. Ich hab’s versucht, aber sie ist tot.«
    »Hier entlang ist er nicht geflohen. Er ist immer noch da drinnen. Ich kann ihn hören.« Stille.
    »Ich hab’s versucht, Diane. Ich hab’s versucht.«
    »Vergiss es. Komm schon. Ist bei dir alles klar? Ist alles
klar

    »Ja, alles okay. Ehrlich.« Die Stimme der Beamtin wurde eisig. »Holen wir ihn uns.«
    »Nein, wir bewachen diese Ausgänge, bis die ESU eintrifft«, sagte Franciscovich. Die Emergency Services Unit war das Sondereinsatzkommando der New Yorker Polizei.
    »Das ist alles. Halt die Stellung, und bleib von der Tür weg. Rühr dich nicht vom Fleck.«
    In diesem Moment hörte sie den Mann von drinnen rufen: »Ich habe eine Geisel. Ich habe ein Mädchen bei mir. Falls ihr versucht, hier einzudringen, bringe ich sie um.«
    O Gott…
    »He, Sie da drinnen!«, rief Franciscovich. »Niemand versucht hier irgendwas. Keine Angst. Tun Sie bloß niemandem mehr weh.« Entsprach das der vorgeschriebenen Verfahrensweise?, grübelte sie. Weder irgendeine Fernsehserie noch ihre Ausbildung waren ihr in diesem Punkt von Nutzen. Sie hörte, wie Ausonio Kontakt zur Zentrale herstellte und meldete, dass sie es mittlerweile mit einem verschanzten Geiselnehmer zu tun hatten.
    »Bleiben Sie ruhig!«, rief Franciscovich dem Mörder zu. »Sie können…«
    Drinnen ertönte ein ohrenbetäubend lauter Schuss. Franciscovich zuckte zusammen. »Was ist los? Warst du das?«, rief sie ins Funkgerät.
    »Nein«, entgegnete ihre Partnerin. »Ich dachte, du seist das gewesen.«
    »Nein, es war dieser Kerl. Bei dir alles in Ordnung?«
    »Ja. Er hat von einer Geisel gesprochen. Glaubst du, er hat sie erschossen?«
    »Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?«
    Und wo, zum Teufel, bleibt die Verstärkung?, fügte Franciscovich in Gedanken hinzu.
    »Diane«, flüsterte kurz darauf Ausonio. »Wir müssen da rein. Vielleicht ist sie verletzt.« Dann rief sie: »He, Sie da drinnen!« Keine Antwort. »He!«
    Nichts.
    »Womöglich hat er sich umgebracht«, sagte Franciscovich.
    Oder er will, dass wir genau das glauben, und wartet nur darauf, dass jemand sich ihm als Zielscheibe präsentiert.
    Dann sah sie wieder dieses schreckliche Bild vor sich: Die altersschwache Tür zum Foyer schwang auf, und fahles Licht fiel auf das Opfer, dessen Gesicht so blau und kalt wie
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