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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge
Autoren: Èmile Gabroriau
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Gräfin, wächst von Tag zu Tag. Dabei bemitleide ich sie zugleich, sie, die mit Demut und gleichbleibender Freundlichkeit um Vergebung für unsere unglückliche Verbindung zu bitten scheint. Auch sie ist ja gezwungen worden, und auch sie hätte sicher lieber ihre Gefühle an einen anderen Mann verschwendet ...« Noël machte eine Pause und sagte dann mit bebender Stimme: »Die Gräfin war meine Mutter.« Und fast tonlos fügte er hinzu: »Sie ist tot.«
    Tabaret empfand den Schmerz des jungen Freundes nach, obwohl er begierig war, mehr zu erfahren.
    Â»In allen folgenden Briefen beschäftigt sich mein Vater mit dem Problem, wie er die Folgen der unehelichen Geburt vom Kind der Geliebten abwenden könnte«, fuhr Noël nach einer kurzen Pause fort. »Am fünften März achtzehnhundertneunundzwanzig bedauert er sogar, daß der König nicht mehr, wie vor der Revolution, einen Bastard adeln könne. Und dann schreibt er noch: Unser Sohn, er wird die Gefühlstiefe, den Geist, die Schönheit seiner Mutter erben, vom Vater den Stolz und den alten Adel. Beim Gedanken daran, wie das Kind der anderen sein wird, zittere ich. Damit meint er mich, das Scheusal!« rief der Anwalt, noch ehe er sachlich fortfuhr: »Es folgt nun eine einfache Nachricht, datiert von Anfang Mai aus Venedig: Liebste Valerie, nach Deiner Antwort, die günstiger ausgefallen ist, als ich hoffen durfte, sehe ich meinen Plan Gestalt annehmen. Dein Sohn wird meinen Namen tragen, in meinem Haus wird er aufwachsen, unter meinen Augen! Morgen geht’s nach Neapel, aber in der entscheidenden Stunde werde ich in Paris sein, um Dir zur Seite zu stehen, und müßte ich auch meine wichtige Angelegenheit im Stich lassen.«
    Â»Was war das für eine wichtige Angelegenheit?« fragte Tabaret.
    Â»Mein Vater, der Graf Rheteau de Commarin, war ein Vertrauter Karls des Zehnten und weilte in geheimer Mission in Italien«, antwortete Noël. »Aber hören Sie nur, was dieser Mann, ein Diplomat und Aristokrat, dem Papier anvertraut hat: Liebste! Mein treuer Kammerdiener Germain überbringt Dir diesen Brief, der Dich mit dem Plan, unseren Sohn betreffend, bekannt macht. Spätestens in drei Wochen bin ich in Paris. Dieweil habe ich folgendes veranlaßt: Die beiden Knaben werden von zwei Ammen auf meine Besitzungen in der Normandie gebracht. Eine der Ammen, die Germain ausgewählt hat, ist eingeweiht, und ihrer Obhut wird unser Kind anvertraut. Beide Amme nverlassen Paris am gleichen Tag; Germain wird die Amme begleiten, die den Sohn der Gräfin betreut. Er wird es so entrichten, daß ein Unglücksfall die beiden Frauen zwingt, eine Nacht unterwegs im selben Gasthof und in ein und demselben Zimmer zuzubringen. In dieser Nacht wird die Amme, die ins Vertrauen gezogen worden ist, die Kinder vertauschen. Germain hat die Order, für Dein Kind Wiege und Kleidung zu besorgen, wie sie das Kind der Gräfin hat. – Du siehst, es ist an alles gedacht. Setz Dich mit ihm in Verbindung, auch wenn Dein Mutterherz bei dem Gedanken, Dein Kind zu verlieren, vor Schmerz verkrampft. Denke daran, daß Dein Opfer seinem Leben zugute kommt. Den anderen Knaben wirst Du, ich weiß es, um seines Vaters willen lieben, und er wird nichts entbehren. An Geld wird es ihm nicht mangeln. Sage nicht, dies alles sei ein Verbrechen. Wenn unser Plan glückt, dann ist es vom Himmel so bestimmt.«
    Â»So ähnlich habe ich mir das ausgemalt«, murmelte Tabaret.
    Â»Und dieser Elende hatte die Stirn, den Himmel in den Betrug einzubeziehen!« rief Noël.
    Â»Aber Ihre ... Ich meine: Wie hat Madame Gerdy reagiert?«
    Â»Zunächst scheint sie ablehnend gewesen zu sein. Doch der Graf hat sie mit zwei Dutzend Briefen umgestimmt. Diese Verräterin an ihrem eigenen Blut!«
    Â»Seien Sie nicht ungerecht«, sagte Tabaret. »Den Grafen trifft die größere Schuld.«
    Â»Mag sein«, erwiderte Noël heftig, »aber seine Leidenschaft erklärt manches. Madame Gerdy war es, die mir jede Stunde meines Lebens etwas vorgemacht hat, über dreißig Jahre lang! Der Graf hat zudem seine Strafe bekommen..
    Â»Wie das?«
    Â»Davon später. Lassen Sie mich erst einmal weiterberichten: Ende Mai oder Anfang Juni scheint der Graf wieder in Paris gewesen zu sein. Jedenfalls gibt es aus dieser Zeit keinen Briefwechsel. Die Ausführung der Verschwörung muß sich verzögert haben. Hier
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