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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge
Autoren: Èmile Gabroriau
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Männern entgegen und schrie: »Holt einen Arzt! Sofort! Vielleicht ist er noch nicht tot.«
    Einer der Polizisten lief aus dem Salon. Die übrigen hoben Noël nach Vater Tabarets Anweisungen auf und legten ihn auf Juliettes Diwan.
    Â»Er stirbt«, sagte Vater Tabaret nach einem kurzen Blick auf Noël. Sein Zorn war verflogen. »Ich habe ihn wie mein eigenes Kind geliebt. Sein Name steht noch in meinem Testament.«
    Noël stieß einen Seufzer aus und öffnete die Augen.
    Â»Da! Sehen Sie! Er wird leben!« Juliettes Rufe gingen in einem Schluchzen unter.
    Noël schüttelte den Kopf. Auf ein Zeichen von ihm schob man ihm ein zweites Kissen unter den Kopf. Dann sagte er mit fast unhörbarer, am Blut erstickender Stimme: »Ich bin der Mörder ... Schreiben Sie es auf ... Ich unterzeichne ... Damit Albert wieder freikommt.«
    Er hatte noch die Kraft zu unterschreiben. Zu Vater Tabaret gewandt, sagte er, fast scherzend: »Du bist also ein Detektiv ... Das muß großen Spaß machen ... Die eigenen Freunde zu erwischen ... Ich hatte ein schönes Spiel auf der Hand ... aber gegen drei Damen verliert man meistens ...«
    Dann fiel er zurück.
    Als der Arzt eintrat, konnte er nur noch den Tod des Rechtsanwalts Noël Gerdy feststellen.
    * * *
    E inige Monate später konnte die um zehn Jahre jünger aussehende Marquise d’Arlanges ihrer Freundin Mademoiselle Goello über die Hochzeit ihrer Enkelin Claire mit dem Grafen de Commarin berichten.
    Â»Also, das Fest fand auf unserem Gut in der Normandie statt. Ohne alles Trara. Der Bräutigam hat es so gewollt. Nach meinem Geschmack war’s ja nicht. Aber der junge Mann hat sich eben durchgesetzt. Er wollte in aller Stille feiern. Ist ja andererseits auch verständlich, nach all dem Unerfreulichen, das er durchlebt hat. Doch daß meine Enkelin voll und ganz zu ihrem Mann stand und ihre Großmutter nicht ein bißchen unterstützt hat, das kränkt mich doch. Aber schließlich war es ihre Hochzeit. Sollen sie glücklich werden und Kinder haben. Teuer genug erkauft ist ja das Glück. Übrigens hat sich der alte Graf zum erstenmal in seinem Leben und wahrscheinlich auch zum letztenmal wie ein richtiger Mensch benommen. Denken Sie nur, meine Liebe, sein ganzes Vermögen hat er seinem Sohn vermacht. Seinen Lebensabend will er ganz allein auf einem seiner Landsitze verbringen. Manchmal denke ich, der Alte ist nicht mehr der, der er war. Vielleicht hat er sich nicht richtig von seinem Schlaganfall erholt. Meine Enkelin ist ja nun glücklich unter der Haube. Aber fragen Sie mich nicht, was mich das gekostet hat und wie sparsam ich in Zukunft noch leben muß. Trotzdem: Ich verachte Eltern, die keine Opfer bringen können, wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht.« Der Marquise war bei ihrem Bericht nur ein kleiner Fehler unterlaufen: Sie erwähnte nicht, daß Albert noch vor der Hochzeit einen erheblichen Teil ihrer Schulden getilgt hatte. Seitdem hatte sie sich von ihm noch neuntausend Francs geborgt, und sie wollte ihm demnächst auch noch gestehen, wie sehr sie von ihrer Schneiderin, ihrem Dekorateur, ihrer Weißnäherin und den Kaufleuten geplagt würde.
    Doch war die Marquise eine ehrenwerte Frau und sagte nie ein schlechtes Wort über ihren Schwiegersohn. Daburon war, nachdem er um Entlassung aus seinem Amt gebeten hatte, nach Poitou übergesiedelt und suchte dort Ruhe und Vergessen. Seine Freunde haben allerdings die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß er eines Tags doch heiraten wird.
    Vollkommen getröstet war nach einigen Wochen der Trauer Madame Juliette. Sie hatte viel zurückgelegt und verkaufte auch noch ihre wertvolle Wohnungseinrichtung.
    Vater Tabarets Glaube an die Unfehlbarkeit der Justiz war zerstört. Er gründete eine Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe machte, unschuldigen Opfern des Gesetzes zu helfen.

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