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Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming
Autoren: Stefan Slupetzky
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ich mir einen ganz legalen Pass vom Amt hätte holen können, nachdem ihr mich entlastet und meine Weste reingewaschen habt; aber es hat mir, ehrlich gesagt, widerstrebt. Ich will zwar wieder ein Neumann sein, aber kein Österreicher mehr – verzeih. Außerdem war Hubers fingerfertiger Freund sowieso schon in Übung, wegen Dragica. Die Arme hat sich ja nicht unbedingt verbessert: Sie heißt jetzt Umberta. Umberta Carottini. Kannst du dir das vorstellen? Aber nach einer schwarz gelockten Umberta wird der Krotznig wenigstens nicht fahnden. Sag, fahndet er überhaupt noch? Oder ist er nach seiner Degradierung endgültig im Delirium versackt? Richte dem Huber trotzdem aus, dass er sich vorsehen soll, falls er das Mädel besuchen will; ich bin sicher, er will, und ganz unter uns: Sie hätte auch nichts dagegen …
    Also, das Konto meiner Eltern ist geleert. Ich denke, es war an der Zeit, nach allem, was geschehen ist. Dragica, entschuldige, Umberta macht sich besser, als ich anfangs dachte. Sie ist nun schon seit vier Monaten bei uns, und ohne es verschreien zu wollen: Sie wird das Arcangeli in absehbarer Zeit übernehmen können. Jetzt staunst du, was?
    Ja, mein Guter. Wir verlassen Triest. Das nötige Kapital haben wir jetzt, und unser Lokal wird in guten Händen sein. Wir gehen nach Brasilien, wenn möglich noch vor Jahresende. Brasilien. Es muss das Land des Lichts sein und der Farben, der Lebendigkeit und der Wärme, auch der Herzenswärme; so stelle ich mir das jedenfalls vor. Und überall, du weißt schon: Kaffee … Dort ist die Wiege des Kaffees; von früh bis spät soll man ihn riechen können, und alles soll von ihm durchdrungen sein. Das ist weit mehr, als das alte Europa mit seinen spärlichen Oasen der Verfeinerung, mit seinen chromglänzenden Gerätschaften und polierten Silbertabletts aus diesem Schatz zu machen vermag. Ich wollte, mein Vater könnte uns begleiten, aber vielleicht tut er das ja, irgendwie.
    Und ich wünschte auch, dass du mit uns kämst, dass du dich endlich losreißen könntest aus dieser Stadt, aus diesem Sumpf, in dem die Menschen einander …
    Erinnerst du dich, was Helmut Qualtinger gesagt hat? «Das einzige Lob, das es in Wien gibt, ist der Neid. Die einzige Zufriedenheit, die es in Wien gibt, ist der Tod.»
    Er hat’s gewusst, aber er hat es auch nie bis nach Brasilien geschafft.
     
    Sei umarmt von deinem
     
    David Neumann

GLOSSAR FÜR NICHT-WIENER
    Beidl
    Hodensack, auch als Schimpfwort gebräuchlich

    Buserer
    im Straßenverkehr: Zusammenstoß mit Blechschaden. Beim Billard: Vorbande

    Fettn
    von frz. effet . Beim Billard: seitlicher Drall der gespielten Kugel

    Fleischlaberl
    Frikadelle

    Gemma
    wörtl.: «Lass uns gehen.» Aufforderung, sich zu beeilen

    G’frast
    freche Person, als Schimpfwort gebräuchlich

    Grätzl
    Teil eines Wohnbezirks

    Gusch
    wörtl.: «Halt den Mund.»

    Krewecherl
    Schwächling, Kümmerling

    ’leicht
    womöglich, etwa, gar

    von der Maschek-Seitn
    von hinten, durch die Hintertür

    Pallawatsch
    Durcheinander

    ziagn
    wörtl.: «ziehen». Beim Billard: der zu spielenden Kugel einen Rückwärtsdrall verleihen

Informationen zum Buch
    Witzig, skurril, abgründig – eine süchtigmachende Wiener Mischung

    Leopold Wallisch, Spitzname «Lemming», ist auf Betreiben seines bösartigen Kollegen Krotznig aus der Mordkommission entlassen worden. Jetzt arbeitet er für eine kleine Wiener Privatdetektei und spioniert potenziellen Ehebrechern hinterher. Als einer der von ihm Überwachten, der pensionierte Lateinlehrer Grinzinger, ermordet wird, will er den Fall selber aufklären. Immer tiefer gerät er in ein komplexes Geflecht aus Macht und Verrat, Sadismus und Demütigung, dessen Wurzeln zwanzig Jahre zurückreichen.
    Die Suche nach dem Mörder gerät zum Wettlauf mit dem brutalen Krotznig, der die Ermittlungen seines ehemaligen Partners mit allen Mitteln zu stoppen versucht. Doch der Lemming hat noch einen Trumpf in der Hand: die ominöse Nickelbrille, die Grinzinger kurz vor seinem Tod im Wald vergraben hat …

    «Ein Buch, das man nicht weglegen kann. Bis zur letzten Seite.» (Der Kurier)

Informationen zum Autor
    1962 in Wien geboren, studierte Stefan Slupetzky an der Wiener Kunstakademie und arbeitete als Musiker und Kunstlehrer, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Er schrieb und illustrierte mehr als ein Dutzend Kinder- und Jugendbücher, für die er zahlreiche Preise erhielt. Mittlerweile widmet er sich aber vorwiegend der Literatur für
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