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Der Ewige Widersacher

Der Ewige Widersacher

Titel: Der Ewige Widersacher
Autoren: Vampira VA
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über Jerusalem verliehen hatte.
    Ich hatte mit ihm in gleicher Weise geredet wie mit den anderen, die ich zuvor besucht hatte, doch verfingen meine Worte nicht bei ihm. Wohl auch deshalb, weil er sie nicht recht verstehen mochte, denn sein Geist war umnebelt vom Wein, und er hielt mich offenbar für ein Gespenst, das ihm der Suff nur vorgaukelte.
    »Du begehst einen Fehler«, warnte ich ihn.
    Doch er lachte nur trunken. »Einen Fehler würde ich nur dann begehen, wenn ich glaubte, du wärest wirklich.«
    »Was hättest du zu verlieren, wenn du auf meinen Vorschlag eingingest? Wäre ich nur eine Ausgeburt deines weinseligen Hirns, würde nichts zu deinem Nachteil geschehen, oder?«
    Er richtete sich schwerfällig in seinem gepolsterten Stuhl auf. Ein erbarmungswürdiger Anblick .
    »O doch«, grunzte er dann und drohte mir mit schwankendem Finger, »ich hätte mich zum Narren vor mir selbst gemacht! Das wäre geschehen.«
    Ich verzog geringschätzig die Lippen. »Nun, dann sieh dir das an -«
    Mein Blick traf eine bronzene Büste, die den Kopf des Kaisers zeigte - und noch in der Sekunde in schwarzem Feuer lautlos zerbarst, dessen kalte Glut die Trümmer schmolz.
    »Beeindruckend«, meinte der andere lapidar mit schwerer Zunge. Dann sank er zurück, schloß die ohnedies schon schmalen Augen und schlief ein. Ich musterte ihn noch eine Weile, ehe ich mich zum Gehen wandte.
    »Ein fürchterliches Erwachen wünsche ich dir, Pontius Pilatus«, sagte ich leise und sah noch einmal zu den Trümmern der Büste hin.
    Dann verließ ich den Palast des Statthalters.
    *
    Einer von den Männern, mit denen ich einen Pakt geschlossen hatte, informierte mich Tage später, daß die Gefangennahme des Nazare-ners in der kommenden Nacht erfolgen sollte.
    Die Hohepriester und Gelehrten hatten in dieser Zeit gute Dienste geleistet. Flammende Reden hatten sie vor dem Volk und in den Tempeln gehalten, und dank der Überzeugungskraft, die ich ihnen verliehen hatte, fielen ihre hetzerischen Worte auf fruchtbaren Boden und keimten in den Herzen der Menschen.
    Die Stimmung in Jerusalem schlug um. Man sah einen Frevler in dem Nazarener, der sich anmaßte, Gottes Sohn zu sein, und unterstellte ihm falsche Beweggründe. Fortjagen wollten sie ihn, und das war noch der mindeste Ruf, der laut wurde im Volk.
    Als ich die Nachricht erhielt, daß es soweit war, wie ich es wollte, hatte das Passafest gerade begonnen. Der Tradition folgend versammelte der Nazarener uns zum Passamahl um sich, das uns im Hause eines der wenigen Männer, die noch zu ihm standen, aufgetragen wurde. Josef hieß jener Mann, und er stammte aus Arimathia.
    Es wurde wenig gesprochen bei Tisch, denn was geschehen war, schlug jedem in der Runde aufs Gemüt. Niemandem fiel auf, daß meine Bestürzung nur zur Schau getragen war. Im Gegenteil, der Nazarener sprach einen der anderen an, weil dessen Verhalten ihm seltsam schien.
    »Judas, mein Freund«, sagte er, »du scheinst mir - nun, etwas bedrückt dich in ärgerem Maße als alle anderen, denke ich.«
    »Wie kommst du darauf, Herr?« Judas Iskariot sah erschrocken auf.
    Der Nazarener hob nur die Schultern und lächelte schwach.
    »Es -«, begann Judas lahm, und jeder spürte, daß ihm etwas auf der Zunge lag, das ebenso sein Herz belastete; aber er sprach es nicht aus. »Es ist nichts«, sagte er statt dessen. »Mir ist nur nicht wohl. Doch wen sollte das wundern?« Sein Blick machte die Runde, und jeder sah betreten drein. Judas erhob sich. »Vielleicht hilft mir frische Luft«, sagte er und verließ das Haus.
    Der Nazarener wollte ihm nach, doch ich stand schneller auf als er.
    »Laß nur«, hielt ich ihn auf, »ich sehe nach ihm. Mir wird schon etwas einfallen, um ihn aufzumuntern.«
    Ich lächelte zuversichtlich und folgte Judas hinaus. Denn mir war eine Idee gekommen, wie ich noch mehr Übles säen konnte ...
    *
    Ich fand Judas unter einem Baum, wo er sich in den Schatten versteckte, wie mir vorkam. Das Zwielicht des Abends reichte dort schon nicht mehr hin.
    Neben ihm ließ ich mich nieder. Er schenkte mir keinen Blick, aber ich meinte selbst etwas von der unsichtbaren Last zu spüren, die auf ihm lag.
    »Worüber sorgst du dich?« fragte ich. »Und warum sprichst du nicht mit ihm darüber?« Ich wies zum Haus. »Er hat doch für alles und jeden ein offenes Ohr und hilft, wie er nur kann.«
    Judas lachte kurz und bitter. »Von dieser Sorge kann er mich nicht mit bloßen Worten befreien. Er kann mir nicht geben, was ich
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