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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer
Autoren: Michael Moorcock
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und zog die Tür zu, als Mo neben dem Tramper abbremste. »Wohin willst du?« fragte er.
    Der Tramper sagte: »Wie wär’s mit Fort William, Mann?« Mo sagte: »Steig ein.«
    Der Junge sagte, sein Name sei Chris. »Fährst du mit ‘ner Band rum?« Er blickte sich in der Kabine um und registrierte die alten Aufkleber, die Stereoanlage, Mos tätowierte Arme, die Schminkreste im Gesicht, das Cawthorn-T-Shirt, die perlenbestickte Jacke, die abgetragenen Jeans mit den ausgewaschenen Flicken darauf und die ledernen Cowboystiefel, die Mo beim Emperor of Wyoming in Notting Hill Gate vergangenes Jahr gekauft hatte.
    »Hab früher für The Deep Fix gearbeitet«, sagte Mo.
    Die Augen des Trampers waren eingefallen und rot gerändert. Das dünne, schwarze Haar hing strähnig an beiden Seiten des bleichen Gesichts herunter. Er trug ein verschlissenes Denim-Hemd von Wrangler, eine verdreckte weiße LevisJacke und an den Knien aufgerissene Jeans. Die Füße steckten in Mokassins. Er war nervös und aufgedreht. »Yeah?« »So isses«, sagte Mo.
    »Was ist da hinten drin?« Chris drehte sich zur Tür um. »In
strumente?«
»Kann man sagen.«
    »Ich bin seit drei Tagen ununterbrochen auf den Beinen«, sagte Chris. Auf seinem Schoß lag ein speckiger, vergilbter Khakirucksack. »Hast du was dagegen, wenn ich mich mal auf’s Ohr haue?«
    »Nein.« Sie kamen an eine Tankstelle. Mo stieg aus, um den Mercedes vollzutanken. Als er vor der Zapfsäule stand, war Chris schon eingeschlafen.
    Während er darauf wartete, daß er sich wieder in den Verkehr einfädeln konnte, stopfte Mo sich den Mund mit Pillen
    voll. Manche fielen von der Hand auf den Boden, doch er war
schon zu vernagelt, um sie aufzusammeln.
Chris wachte auf, als sie durch Glasgow fuhren.
»Sind wir in Glasgow?«
    Mo nickte. Die Paranoia ließ sich nicht länger abwehren. Er stierte auf die Autos, die langsam vor ihm über die Straße glitten. Die Schaufenster der Geschäfte waren allesamt mit Draht vergittert. Die Kneipen sahen aus wie Bunker. Mo fühlte sich kotzelend, ohne zu wissen, warum. »Wohin willst du eigentlich?« fragte Chris. »Fort William.«
    »Da hab ich aber Schwein. Weißt du, wo ich da Gras auftreiben kann?«
    Mo langte nach vorn und schob eine Tabaksdose über die Ablage zum Tramper hin. »Schenk ich dir.«
    Chris nahm die Dose und öffnete sie. »Irre! Ist das dein Ernst? Die Blättchen auch?«
    »Klar«, sagte Mo. Er konnte Chris nicht leiden; momentan konnte er niemanden leiden. Aber er wußte, die miese Laune würde vorübergehen.
    »Oh, Mann! Besten Dank.« Chris packte die Dose in den
Rucksack. »Ich dreh mir eine, wenn wir aus der Stadt raus sind,
okay?«
»Okay.«
»Für wen arbeitest du im Augenblick?« fragte Chris. »Für
‘ne Band?«
»Nein.«
»Machst du Urlaub?«
    Der Knabe war total aufgedreht. Vielleicht hatte er zu wenig Schlaf gehabt. »So ungefähr«, sagte Mo.
    »Ich auch. Das hatte ich jedenfalls so vor. Ich bin auf der Uni. Exeter. Das heißt, da war ich. Hab die Sachen geschmissen. In den Scheißhaufen geh ich nicht mehr zurück. Ein Semester hat gelangt. Ich würd ganz gern auf die Hebriden. Da kenn ich jemanden, der lebt in ‘ner Kommune, auf einer der Inseln. Die haben ihre eigenen Schafe, Ziegen und ‘ne Kuh. Da kommt keiner, der ihnen was will. Verstehst du? Total frei. Könnte mir gefallen.« Mo nickte.
    Chris strich sein schwarzes, öliges Haar zurück. »Ich mein, vergleich das doch nur mal mit dem Kaff hier. Wie kann man das bloß aushalten, Mann. Die reinste Hölle.«
    Mo gab keine Antwort. Er legte den Gang ein, als die Ampel umsprang, und fuhr weiter.
    »Wahnsinnig«, sagte Chris. Er hatte die Kiste mit den Kassetten vor seinen Füßen entdeckt. »Kann ich Musik machen?« »Nur zu«, sagte Mo.
    Er wählte das alte Album Who’s Next und steckte die Kassette falsch herum in den Schlitz. Mo nahm sie ihm aus der Hand und machte es richtig. Es ging ihm gleich besser, als die Musik zu spielen anfing. Er sah Chris von der Seite an und bemerkte, daß er für eine Weile weiterquasselte, obwohl ihn keiner mehr hören konnte.
    Mo ließ das Band immer wieder von vorn laufen, während sie aus Glasgow herausfuhren. Chris drehte Joints, und Mo nahm ein paar Züge. Er stand kurz vor dem Gipfel seiner Paranoia. Am Nachmittag gegen vier fühlte er sich besser und schaltete den Recorder aus. Sie fuhren am Loch Lomond vorbei. Das Farnkraut welkte und schimmerte wie Bronze im Sonnenlicht. Chris war wieder eingeschlafen, wachte aber sofort
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