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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer
Autoren: Michael Moorcock
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Milwaukee. Und New York … Und Vietnam. Nieder mit dem Krieg und der Luftverschmutzung. Was hatte das für ‘n Sinn?«
    »Tja …« Mo schluckte den Rest seines Marsriegels. »Tja … das ist alles wichtig, Mann. Ich mein, all die Jungs, die umgelegt werden …«
    »Während wir ‘n Haufen Kohle machen und einen noch größeren aus sentimentaler Scheiße fabrizieren. Genau das war unser Fehler. Man macht entweder auf gesellschaftliches Gewissen oder Showbusineß. Wenn du glaubst, beides läßt sich vereinbaren, liegst du daneben.«
    »Nein. Ich mein aber, du hast den Leuten was zu sagen.«
    »Man sagt nur das, was das Publikum hören will. Ein FrankSinatra-Publikum bekommt seinen Mist von Frankie vorgesetzt. Jimi gibt dem Hendrix-Publikum das, was es erwartet. Und dafür soll ich mich wieder stark machen?«
    Mo hatte längst abgeschaltet. Er sah zu, wie sich die Tätowierungen auf seinem Arm selbständig machten. Dann sagte er kleinlaut: »Man braucht für jede Stimmung ‘ne andere Musik. Warum sollte man sich nicht die New Riders reinziehen, wenn man von ‘ner Paranoia runterzukommen versucht? Bei Hendrix wird man wieder wach. So ist das. Wie Beruhigungs- und Aufputschpillen. Verstehst du?«
    »Okay«, sagte Jimi. »Du hast recht. Aber verrückt ist, was drum herum abläuft. Warum verlangt man von uns ‘ne Aussage? Wir sind doch nur Musiker, und mehr wollen wir nicht sein; das heißt, solange wir ‘n Auftritt haben oder ‘ne Platte einspielen. Gegen Benefiz und freie Konzerte ist ja nichts einzuwenden. Aber die Meinung sollte privat bleiben. Man will uns zu Politikern machen.«
    »Meine Rede«, sagte Mo und stierte auf seine Arme. »Das hat auch keiner verlangt. Mach du nur, was dir gefällt.« »Na schön, es verlangt zwar keiner, aber man fühlt sich immer dazu verpflichtet.« Jimi wälzte sich auf den Bauch und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Und dann schiebt man den anderen die Schuld zu.«
    »Nicht alle glauben, daß sie anderen gegenüber zu irgendwas verpflichtet sind«, sagte Mo beiläufig und beobachtete, wie sich seine Haut zu kräuseln anfing.
    »Vielleicht ist da was dran«, sagte Jimi. »Vielleicht macht
einen das so fertig. Oh, Mann. Psychologisch heißt das näm
lich, daß man ganz schön kaputt ist. Herrjemine! Es ist reiner
Selbstmord, Mann. Schaurig.«
»Sie haben dich umgebracht«, sagte Mo.
»Nein, Mann. Es war Selbstmord.«

    Mo fixierte die alte, kriechende Schlange. Konnte es möglich sein, daß Hendrix ein Schwindler war?

    6. Kapitel

    »Und was hast du jetzt vor?« fragte Mo. Sie fuhren auf der Straße nach Skye und hatten kaum mehr Benzin im Tank. »Ich war ein Arsch, wieder zurückzukommen«, sagte Jimi. »Ich hab mir eingebildet, noch irgendeine Pflicht erfüllen zu müssen.«
    Mo ließ die Achseln zucken. »Vielleicht mußt du das wirk
lich, kann ja sein.«
»Aber vielleicht auch nicht.«
    »Klar.« Mo entdeckte eine Tankstelle. Die Tankuhr stand auf leer, und in den Armaturen blinkte ein rotes Licht. In der Beziehung hatte er immer Glück; kaum, daß er mal unterwegs liegengeblieben wäre. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah in die eigenen, starren Augen. Einen Moment lang war er geneigt, den Spiegel in Jimis Richtung zu drehen, um zu sehen, ob sein Abbild darin auftauchte. Aber Mo ließ den Gedanken fallen; er mußte die Paranoia im Griff behalten. Während ein Junge den Tank auffüllte, ging Mo zur Toilette. Neben den üblichen Sprüchen an der Wand stand: »Hawkwind is Ace.« Vielleicht hatte Jimi recht. Seine großen Tage waren womöglich wirklich vorbei, und er hätte bei den Toten bleiben sollen. Mo fühlte sich elend. Hendrix war sein einziger Held gewesen. Den Hosenstall zuzumachen, raubte ihm die letzte Kraft. Er taumelte gegen die Tür und rutschte auf den verdreckten Boden. Sein Mund war trocken. Das Herz stampfte wild. Er versuchte sich daran zu erinnern, wieviel Pillen er in den letzten Stunden geschluckt hatte. Vielleicht stand er kurz vor dem Zusammenbruch.
    Er langte mit der Hand nach dem Türgriff und zog sich daran
    hoch. Gleich darauf hing er über dem Waschbecken und steckte sich einen Finger in den Hals. Alles war in Bewegung. Das Becken lebte: ein gieriges Maul, das ihn zu verschlingen drohte. Die Wände wanden sich und rückten näher. Er hörte ein Pfeifen. Nichts kam hoch. Er brach den Brechversuch ab, rang um sein Gleichgewicht, verscheuchte die kleinen weißen Strichmännchen, die nach ihm haschten, riß die Tür auf und schleppte
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