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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer
Autoren: Michael Moorcock
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sich nach draußen. Der Junge schraubte den Tankdeckel gerade wieder auf, wischte die großen Hände an einem Lappen ab, stopfte ihn zurück in den Overall und sagte etwas. Mo gab ihm Geld, das er in der Gesäßtasche fand. Er hörte eine Stimme: »Alles in Ordnung, Kumpel?«
    Der Junge schenkte ihm einen aufrichtig besorgten Blick.
    Mo stammelte ein paar Worte und kletterte zurück ans Steuer.
    Als er die Maschine startete, kam der Junge angerannt und hielt wedelnd Geldscheine und grüne Rabattmarken in der Hand.
    »Was?« sagte Mo. Es gelang ihm, das Seitenfenster herunterzukurbeln. Das Gesicht des Jungen verwandelte sich in eine teuflische Maske, die Mo jedoch kaum mehr erschrecken konnte. »Was?«
    Er glaubte den Jungen antworten zu hören: »Dein Kumpel hat schon bezahlt.«
    »Das stimmt, Mann«, meldete sich Jimi vom Beifahrersitz.
    »Behalt’s«, sagte Mo. Er wollte so schnell wie möglich zurück auf die Straße. Am Steuer des fahrenden Busses konnte er eher die Kontrolle über sich wiedergewinnen. Er kramte, ohne lange zu wählen, eine Kassette aus der Box und stieß sie in denn Recorderschlitz. Das Band fing mitten in einem Album der Stones zu spielen an. Jaggers Let it Bleed wirkte beruhigend auf Mo. Die Schlangen auf seinem Arm hörten auf, sich zu ringeln, und vor seinen Augen wurde die Straße klar und eben. Er hatte die Stones nie besonders gern gemocht. Im Grunde hielt er sie für einen Haufen von Wichsern, obwohl man Jagger zugestehen mußte, daß er seinen eigenen, unnachahmlichen Stil hatte. Trotzdem waren es Wichser, wie die anderen gängigen Höllenreiter auch, einschließlich Morrison und Alice Cooper. Mo sinnierte, daß es reine Zeitverschwendung war, immer nur über Rockbands nachzudenken. Aber worüber sollte er sich sonst den Kopf zerbrechen? Was könnte das Leben denn interessanter machen? Mystischer Zauber bedeutete ihm nichts. Szientologie war ein faules Ei. Was Sinnvolles konnte er jedenfalls dahinter nicht erkennen. Die Leutchen, denen der ganze Stuß eingefallen war, schienen kaputter zu sein als ihre vermeintlichen Hilfebefohlenen. Das gleiche traf auf vieles andere zu. Die meisten Typen, die einem Hilfe versprachen, waren sich selbst die Nächsten. Mo hatte schon so ziemlich alle diversen Freaks kennengelernt: Sufis, Hare Krishnas, Jesus-Freaks, Meditators, Processors, Erleuchtete. Sie konnten alle besser reden als er, schienen aber von ihm mehr zu wollen, als sie zu geben in der Lage waren. Man lernt die Leute kennen, wenn man ständig angetörnt ist. Der Stoff hatte ihm in dieser Hinsicht einiges gebracht. Schwindlern kam er in letzter Zeit viel eher auf die Schliche. Aus dem Grund konnte er sich bei Jimi so sicher sein. Jimi war sauber. Vielleicht im Augenblick ein bißchen ausgenippt, aber sauber. Die Straße war lang und weiß. Plötzlich tauchte mitten auf der Fahrbahn ein großer Felsbrocken auf. Mo rätselte, ob er echt oder eingebildet war. Er fuhr darauf zu, änderte aber seine Meinung und bremste scharf ab. Ein roter Wagen hinter ihm geriet ins Schleudern, überholte laut hupend und raste durch den Felsen, der sich in Nichts auflöste. Mo zitterte am ganzen Körper. Er nahm die Stones-Kassette aus dem Recorder, lud ihn statt dessen mit Greatful Deads American Beauty und drehte die Lautstärke herunter. »Bist du okay, Mann?« sagte Hendrix.

    »Jaja. Nur ‘n bißchen tatterig.« Mo setzte den Mercedes wieder in Gang.
    »Willst du nicht lieber ‘ne Pause einlegen und ‘ne Runde
schlafen?«
»Mal sehen.«
    Die Sonne ging unter, als Jimi sagte: »Es scheint, wir fahren in Richtung Süden.«
    »So isses«, sagte Mo. »Ich muß zurück nach London.«
»Brauchst du Stoff?«
»Yeah.«
»Vielleicht komm ich diesmal mit in die Stadt.«
»Yeah?«
»Vielleicht aber auch nicht.«

    7. Kapitel

    Als Mo per Anhalter die nächste U-Bahn-Station bei Ladbroke Grove erreicht hatte, war er völlig am Ende. Bilder aus der Erinnerung spukten durch seinen Kopf: Bilder von Jimi aus der Zeit, als er ihn zum ersten Mal mit dem Song Hey, Joe im Fernsehen erlebt hatte (Mo ging damals noch zur Schule), Bilder von Jimi in Woodstock, auf Festivals und Konzerten im ganzen Land. Jimi mit großen, federgeschmückten Hüten, bizarren, bunten Hemden, mit mehreren Ringen an jedem Finger, die weiße Gitarre hinter den Kopf geschleudert, die Saiten mit den Zähnen bearbeitend, den Steg zwischen die Beine geklemmt, dem Instrument jaulende, ächzende und rasende Tonfolgen entlockend wie kein anderer Musiker
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