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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
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Informationen vom Festland weniger erfolgreich waren, warfen Blicke über die Schulter. Kurz darauf flammten die zwei breiten Sony-Bildschirme auf, die von der Decke hingen, und füllten sich mit zahlreichen Bildausschnitten von Szenen aus den verschiedensten Orten der Vereinigten Staaten. Oschin trat wieder an den Kartentisch, jetzt mit einem Laser-Pointer in der Hand. Sie zeigte mit dem roten Punkt auf das oberste Fenster in der linken Ecke des nächstliegenden Bildschirms.
    »Darf ich sprechen, General?«
    »Bitte sehr.«
    »Das ist die Mall of America, das riesige Einkaufszentrum in Bloomington bei Minneapolis, um 13.20 Uhr. Das ist der Hauptgang für Lebensmittel.«
    Der Korridor war leer. An einem Stand brannte ein kleines Feuer, und es sah so aus, als wäre kurzzeitig die Sprinkleranlage eingeschaltet gewesen, aber das Bild war nicht scharf genug, um es genau erkennen zu können. Es erinnerte Musso an einen dieser Zombie-Filme, die er in seiner Jugend gesehen hatte, »Die Nacht der lebenden Toten« oder so ähnlich. Er spürte, wie er Gänsehaut bekam, obwohl er schon damals gewusst hatte, dass der Film nur aus billigen Schockeffekten bestand.
    Mit dem Laser-Pointer umkreiste Oschin die nächsten drei Bilder: »Disneyland in Kalifornien, 11.20 Uhr Ortszeit. Das ist der zentrale Treffpunkt gleich hinter dem Haupteingang. Dort ist der Space Mountain in der ›Welt von Morgen‹ und das da Mickeys Comicland.«
    Auch diese Bilder waren von schlechter Qualität, aber dennoch beunruhigend, denn nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Ein Windstoß trieb ein paar Papierabfälle über den Weg zu einer Stelle, wo eine Art Golfbuggy gegen eine niedrige Mauer gefahren und umgekippt
war. Die junge Soldatin zeigte mit dem Laser-Pointer auf einen Haufen rauchender Lumpen und sagte mit zitternder Stimme: »Das da könnten Kleider gewesen sein, Sir.«
    Niemand antwortete, wahrscheinlich fühlten sie sich alle ebenso schlecht wie Musso. Oschin wartete einen Moment und ging dann die anderen Bilder auf dem Monitor durch. Das »Crown Center« in Kansas City, ein halbes Dutzend Kameras auf dem Campus der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Ein Kongress von Hypothekenfinanziers in Toledo. Die Hauptvergnügungsstraße von Las Vegas mit zahllosen ineinander verkeilten, brennenden Autos - es sah aus, als hätte der Teufel persönlich das größtmögliche Unheil angerichtet. Venice Beach. Der Flughafen JFK in New York. The Strand, die historische Straße und bekannte Touristenattraktion in Galveston, Texas.
    Musso bemühte sich, so neutral wie möglich dreinzublicken. Er hatte das letzte Bild schon identifiziert, bevor Fähnrich Oschin den anderen erklärt hatte, um was es sich handelte. Ganz tief in seinem Innern, da, wo nur animalische Gewissheit herrscht, wusste er, dass seine Familie nicht mehr existierte.
    Ohne bemerkt zu haben, wie sehr die Bilder Musso erschüttert hatten, fuhr Oschin fort und zeigte weitere öffentliche Orte, an denen sich normalerweise Menschenmassen drängten. Aber überall herrschte gähnende Leere, oder es war … was?
    »Es ist das Jüngste Gericht«, flüsterte der Major, der Musso direkt gegenüberstand. Er war einer von denen, die vor wenigen Minuten Oschin noch tadelnd angestarrt hatten.
    Musso erhob seine Stimme, laut und aggressiv, um jede Anwandlung von Disziplinlosigkeit im Keim zu ersticken.
    »Major, wenn dies das Jüngste Gericht wäre, meinen Sie nicht, dass auch Sie dann verschwunden sein müssten? Und wo sind die Sünder? Müssen sie nicht dableiben?
Letztes Mal, als ich das Wort Weltuntergang hörte, geschah es im Zusammenhang mit einigen Vorkommnissen nicht sehr weit nördlich von hier.«
    Der Zurechtgewiesene, auf dessen Brustschild der Name Clarence stand, schwieg und schien nicht im Mindesten verärgert.
    Musso hätte es viel lieber gehabt, ein anderer hätte ihm Befehle erteilt, aber nun war er in der Verantwortung. Das war wirklich nicht das Spiel, in dem er den Schiedsrichter geben wollte. Er konnte sich überhaupt keinen Reim auf die Bilder machen, die er über seine Heimat gesehen hatte. Nach den Vorfällen vom 11. September hatte er eigentlich gedacht, nichts könne ihn mehr überraschen. Innerlich war er vorbereitet auf Fernsehbilder, in denen pilzförmige Rauchwolken über einer amerikanischen Großstadt aufstiegen. Aber das hier … war einfach unglaublich.
    »Allahu akbar. Allahu Akbar.«
    Aus den Lautsprechern ertönte sehr deutlich das Knallen von Gewehrschüssen
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