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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
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bereute er, dass er als junger Soldat sein Jura-Examen in internationalem Recht gemacht hatte. Damals hatte er das für eine gute Idee gehalten. Sein Vater hatte ihm ein Anwaltsdiplom als Rückzugsmöglichkeit empfohlen, falls er beim Militär nicht klarkommen sollte.
    Musso reckte sich, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte finster drein, als hätte er gerade entdeckt, dass jemand ihm verdorbene Ware angedreht hatte.
    »Okay«, sagte er. »Lassen Sie uns mal alles rekapitulieren. Was wissen wir mit Sicherheit?« Er begann, die Antworten an seinen Fingern abzuzählen. »Vor dreiunddreißig Minuten haben wir für zwei Minuten den Kontakt mit dem amerikanischen Festland verloren. Nichts als Rauschen in den Telefonen, Satellitenverbindungen, im Internet,
im Fernsehen und im Radio. Überall. Dann funktionieren alle Kommunikationskanäle wieder, aber wir bekommen auf alle unsere Anfragen keine Antwort. Alle anderen Verbindungen funktionieren bestens. Satelliten, NATO, ANZUS, CENTCOM in Katar, aber nicht nach Tampa in Florida. Alle antworten und wollen wissen, was zum Teufel da los ist. Aber wir haben keinen blassen Dunst. Schaut euch das doch mal an. Was zum Henker soll das?«
    Er deutete Richtung Fernsehmonitore. Sie waren alle eingeschaltet und sollten eigentlich das unaufhörliche Gequassel der amerikanischen Nachrichtenkanäle von sich geben. Der Krieg im Irak würde in wenigen Tagen beginnen, die ganze Welt schaute auf Amerika und seine Berichterstattung über den Nahen Osten. Aber die CNN-Studios in Atlanta, die nach einigen Minuten Ausfall wieder zu sehen waren, zeigten kein Anzeichen von Leben. Das Pult des Moderators im Zentrum des Bildes war da, ebenso Dutzende von TV-Monitoren und Computerbildschirmen, die nach kurzem Rauschen alle wieder funktionierten, aber ebenfalls nur menschenleere Bilder brachten. Das Gleiche bei Fox, auch hier war kein Moderator mehr da. Bei Bloomberg war der größte Teil des Monitors noch immer mit grellbuntem Zahlensalat irgendwelcher Finanzdaten bedeckt, aber das kleine Bildfenster in der Ecke, in dem normalerweise zwei Businesstypen in Anzügen über Käufe und Verkäufe diskutierten, zeigte nur zwei leere Stühle, außerdem zwei rauchende Stofffetzen, sonst nichts. Gleichzeitig sah man in der Reihe mit Satellitenbildern aus Europa und Asien zahlreiche besorgte Moderatorengesichter, von denen sich ganz offensichtlich keiner erklären konnte, was in Nordamerika passiert war.
    »Möchte jemand was dazu sagen?«, fragte Musso, ohne zu glauben, dass jemand sich melden würde.
    Das Schweigen, das nun ausbrach, wäre womöglich unerträglich geworden, wenn es nicht von einem jungen
weiblichen Fähnrich gebrochen worden wäre. Sie stand am Rand der Gruppe und hustete nervös vor sich hin.
    »Entschuldigen Sie bitte, General«, sagte sie.
    »Ja, Frau …?«
    »Oschin, Sir. Ich glaube, Sie sollten sich das hier mal ansehen. Ich habe die Bilder von achtzehn verschiedenen Webcams auf meinen Computer geladen. Es sind alles Kameras an öffentlichen Orten wie Grand Central in New York, Daley Plaza in Chicago und so weiter …«
    Fähnrich Oschin war es ganz offensichtlich unangenehm, einen derart hochrangigen Offizier persönlich anzusprechen, und schien den Mut zu verlieren. Musso bemerkte, dass einige der Offiziere sie strafend anschauten wie ein Kind, das die Erwachsenen gestört hat.
    »Sprechen Sie weiter, Fähnrich«, ermunterte er sie und warf den anderen einen mahnenden Blick zu. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    Oschin nahm Haltung an. »Das sind Live-Kameras, Sir. Aus dem ganzen Land. Und auf keinem Bild ist eine Menschenseele zu sehen. Nirgendwo.«
    Ihre Aussage hinterließ bei allen Anwesenden betroffenes Schweigen. Keiner sprach. Musso musterte seine Untergebene und bemerkte hinter der Maske der Professionalität ihre nackte Angst. Er spürte, wie seine Kehle trocken wurde, und gleichzeitig musste er an seine Familie daheim in Galveston denken. Die Jungs mussten jetzt in der Schule sein und Marlene in ihrem Frisiersalon. Innerlich schickte er ein heimliches Stoßgebet für sie in den Himmel.
    »Können Sie die Bilder auf den Hauptbildschirm legen?«, fragte er.
    »Ja, Sir.«
    »Dann tun Sie das bitte so schnell wie möglich.«
    Oschin, eine kleine nervöse Person, drehte sich hastig um und flüchtete in den schützenden Bereich ihres Arbeitsplatzes,
wo sie ihre Finger in Windeseile über die Tastatur gleiten ließ. Andere Administratoren, die bei ihrer Suche nach
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