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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
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hören.
    Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu den Überresten des Handys auf dem Beifahrersitz. Ob Barney ihren Mann wohl erreicht hatte?

03

Marinestützpunkt Guantánamo Bay, Kuba
    Irgendjemand musste die Kapuzenmänner unterrichtet haben, denn sie fingen wie verrückt zu beten an. Die langgezogenen, jammernden »Allah-akbar«-Rufe hallten über das staubige, mit Zäunen und Stacheldraht abgesperrte Areal von Camp Delta. General Musso vernahm blecherne Stimmen, die aus den Lautsprechern eines Computers im Hauptquartier der Marinebasis kamen - eine Bezeichnung, die recht pompös wirkte für die zerlegbare Hütte mit den großen grauen Ventilationskästen der Klimaanlage, die vor den Fenstern vor sich hin dröhnten. Es war ein relativ milder Tag in der Karibik, beinahe angenehm. Der Brigadegeneral hätte wahrscheinlich problemlos einen der nahe gelegenen, karg bewachsenen Hügel rauf und runter joggen können, ohne allzu sehr ins Schwitzen zu kommen. Aber hier in der Hütte war es recht stickig. Dutzende von Laptop-Computern waren in die vorhandenen Workstations geschoben worden, und alle arbeiteten fleißig vor sich hin und produzierten zusätzliche Wärme in diesem Raum, in dem sich zu diesem Zeitpunkt dreimal so viele Personen aufhielten wie gewöhnlich.
    Tusk Musso hatte die Computer schon abgeschrieben und beugte sich über den alten Kartentisch, mit einer Hand an der Lehne eines Drehstuhls. Am liebsten hätte er den Stuhl durchs Fenster geworfen. Er war so wütend, dass er es wahrscheinlich geschafft hätte, das Ding bis
runter ins Wasser zu schleudern. Gleichzeitig war er von der Situation völlig verunsichert. Das Meer dort unten in der Bucht schimmerte himmelblau und ruhig, und der hineinfallende Stuhl hätte einige Turbulenzen verursacht. Leider war Musso heute verantwortlicher Kommandant dieser Basis, und das bedeutete, dass alle Blicke sich immer wieder auf ihn richteten. Der Kommandant der Seestreitkräfte dieses Stützpunkts, Hauptmann Cimines, wurde vermisst, genauso wie dreihundert Millionen weiterer Amerikaner, Mexikaner und Kanadier. Auch Kubaner waren verschwunden, fügte Musso in Gedanken hinzu, vergessen wir nicht unsere guten alten Feinde jenseits des großen Zauns.
    »Was ist mit den Kubanern in der Nähe?«, polterte er.
    Sein Assistent, Lieutenant Colonel George Stavros, schüttelte den Kopf.
    »Die rennen immer noch wild durcheinander, als hätte jemand ihren Ameisenhaufen zertreten. Mindestens zweihundert von denen haben sich schon davongemacht.«
    »Aber wir haben nichts zu befürchten?«
    »Nein, Sir. In Santiago und Baracoa ist alles ruhig. Hier und da gibt es Menschenansammlungen, aber nichts Größeres.«
    Musso nickte. Er war ein großer, massiger Mann mit einem Kopf, der wie ein weißer Granitblock auf einem baumstumpfartigen Hals saß. Selbst wenn er nur ganz sachte den Kopf bewegte, spürte man, dass er über enorme Kräfte verfügte. Er hob seinen Blick vom Kartentisch mit der altmodischen analogen Dokumentation der Wirklichkeit und den Markierungen aus Holz und Plastik und schaute hinüber zu der Reihe von Bildschirmen, die sich weigerten, ihm irgendetwas darüber mitzuteilen, was nicht weit von hier im Norden vor sich ging. Die Gesichter der Männer und Frauen um ihn herum waren angespannt und drückten Furcht und Verwirrung aus. Es waren zwei
Dutzend Personen, die die verschiedenen militärischen Gruppen repräsentierten, die in Guantánamo stationiert waren, die meisten von der Navy und den Marines, aber auch einige Offiziere der Army und der Air Force waren dabei. Sogar ein einsamer Angehöriger der Küstenwache stand dabei, der gedankenverloren auf den Kartentisch starrte und sich fragte, was wohl aus seinem kleinen Boot geworden war. Der Kontakt mit ihm war abgebrochen. Auf dem Radar hatten sie es ausmachen können, aber niemand antwortete auf die Funksprüche.
    Musso war nicht dauerhaft in Guantánamo stationiert. Er war hergeschickt worden, um die Situation vor Ort zu inspizieren. Es war die erste Aufgabe im Zusammenhang mit seinem neuen Posten in Washington D.C. gewesen, der eigentlich ein reiner Schreibtischjob war, den er nie gewollt hatte. Im Nahen Osten kündigte sich ein neuer Krieg an, und er wurde auf eine langweilige Kontrollreise ins Gitmo auf Kuba geschickt, wo er dafür sorgen sollte, dass man diesen verdammten Dschihad-Kämpfern den Hintern mit Seidenpapier und nicht mit Koranseiten abwischte. So was konnte einen schon ins Grübeln bringen, und beinahe
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