Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Richtung Pazifik nach Japan oder runter nach Honolulu. Heute schienen es weniger zu sein als sonst, tatsächlich nur dieser eine, und er hatte noch nie gesehen, dass ein Flugzeug so tief über den Bergen flog.
    »Nein«, flüsterte er und wurde sich gleichzeitig bewusst, dass er während seiner Wanderungen niemals laut sprach und dass er sich heute womöglich um Kopf und Kragen quasseln würde. »Nicht.«
    Sein Mund wurde trocken. Ohne darüber nachzudenken, nahm er noch einen Schluck von dem kalten Wasser aus seiner Feldflasche. Sein Magen zog sich zusammen, und einen Moment lang fürchtete er, er müsse sich übergeben. Das Flugzeug dort in der Ferne, ein dünnes, längliches Ding aus glänzendem Metall mit vielleicht hundert oder zweihundert Passagieren an Bord, senkte sich graziös, langsam und unaufhaltsam, stieß gegen einen Bergrücken knapp über der Schneegrenze und verursachte eine flammende Explosion aus Stichflammen und schwarzem Rauch, der in den klaren morgendlichen Himmel aufstieg.
    »Oh, Scheiße.«
    Kipper schüttelte den Kopf und ging einige Schritte auf den Feuerball zu, bevor er innehielt. Er würde es niemals bis dorthin schaffen. Außerdem sollte er hier auf den Hubschrauber warten, der ihn zu seiner eigenen Katastrophe bringen würde.
    Trotzdem musste er etwas unternehmen.
    Er tippte die Notrufnummer und schaute kurz auf sein Display, um sicherzugehen, dass er die Zahlen korrekt eingegeben hatte. Er konnte den Unfall zumindest melden. Vielleicht gab es ja Überlebende. Ein lächerlicher Gedanke, das war ihm sofort klar, aber er konnte ja nicht einfach hier herumstehen und die Aussicht genießen, oder?

    »Notrufzentrale, womit kann ich Ihnen helfen?«
    Die Telefonistin klang gequält und fast so durchgeknallt wie Barney. Aber wahrscheinlich war das kein Wunder in diesem Job.
    »Hier ist James Kipper, Leiter der Stadtwerke in Seattle. Ich bin soeben Zeuge eines Flugzeugabsturzes geworden. Ein Passagierflugzeug.«
    Die Telefonistin klang mechanisch, kein bisschen beeindruckt von den technischen Zaubereien, die es Kipper ermöglichten, von dieser Seite der Berge aus mit ihr zu sprechen.
    »Wie ist Ihr Standort und wo ist der Unfall passiert?«
    Als Kipper ihr erklärte, er sei im Kaskadengebirge und ihr seine Position anhand der Koordinaten auf seinem GPS-Empfänger mitteilte, erreichte ihn das Donnergrollen der gigantischen Explosion des Flugzeugs.
    »Wiederholen Sie bitte. Befinden Sie sich außerhalb der Stadtgrenze von Seattle?«
    »Ja, verdammt. Ich habe gerade beobachtet, wie dieses Flugzeug in den Bergen abgestürzt ist. Es kam aus dem Osten und flog zu tief und …«
    »Befinden Sie sich außerhalb der Stadtgrenze von Seattle?«
    »Ja, ich …«
    »Ihr Anruf wurde aufgezeichnet. Wir können im Moment leider niemanden zu Ihnen schicken. Bitte legen Sie auf und machen Sie die Leitung frei für echte Notrufe.«
    Und damit war die Verbindung beendet.
    »Was zum Teufel sollte das denn?«, rief er so laut, dass ein paar Vögel in einem Baum in der Nähe aufflatterten. Durch ihre Bewegung rutschten einige Schneeklumpen von den Zweigen und fielen mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Dreißig Kilometer nördlich stieg eine schwarze Rauchsäule in den stahlblauen Himmel. Eine zweite Explosion ließ noch mehr Flammen und Rauch nach oben
schießen. Kipper starrte noch immer auf das Telefon, als das Donnern der Explosion ihn erreichte.

Seattle, Washington
    Der Parkplatz vor dem Supermarkt am Broadway East wäre auch an jedem anderen Tag eine Herausforderung gewesen. Davon zeugten die drei rätselhaften Kratzer und einige Beulen, die sich Barbaras kleiner Honda dort in den letzten sechs Monaten eingefangen hatte. Aber heute war es die Hölle. Sie versuchte mit einer Hand einen vollgeladenen Einkaufswagen mit zwei defekten Rädern zu lenken, während sie auf dem anderen Arm ein weinendes Kind trug und sich gleichzeitig bemühte, auf ihrem Handy die Wahlwiederholung zu drücken, um Kipper anzurufen. Auf dem Parkplatz drängten sich Hysteriker und Verrückte, einige davon normale Menschen, die einfach nur durchgedreht waren, aber auch richtige Irre, die mit umgehängten Tafeln umhergingen und die Menschen zur »UMKEHR« aufriefen und die »STUNDE DER VERDAMMNIS« beschworen, die »NUN GEKOMMEN« sei. Die Tafeln sahen sehr professionell aus, als wären sie schon früher als für diese Gelegenheit angefertigt worden. Barbara hatte sich den kindischen Spaß gegönnt, einen der Jesus-Freaks mit ihrem schnell
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher