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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
Autoren: Timm Kruse
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Am Abend vor dem großen Fasten, dem 31. August
Die Heilung von Körper und Geist gleicherweise ist und bleibt durch alle Menschzeitalter das Ideal. Der übergeordnete Begriff hierfür heißt Heilfasten.
DR. OTTO BUCHINGER, Das Heilfasten
    Am Abend vor dem großen Fasten, dem 31. August
    93,4 KILOGRAMM
    Ich liebe Essen. Ich esse ungezügelt und maßlos. Das Gefühl des Sattseins ist mir fremd. Entweder ich habe Hunger oder mir ist schlecht.
    Sollte ich tatsächlich irgendwann einmal sterben – gewöhnlich blende ich diese Vorstellung kategorisch aus –, dann am liebsten durch Überfressen. Der schönste Tod ist Platzen!
    Pappsattsein bringt Befriedigung. Sonst nichts. Nur vollgefressen bin ich glücklich.
    Jetzt gerade bin ich weder pappsatt noch vollgefressen. Nicht mal annähernd. Dafür hat der Tag heute in kulinarischer Hinsicht einfach zu wenig zu bieten: ein Brötchen zum Frühstück, dazu Kaffee – was Fastenanleitungen zufolge nicht unbedingt empfehlenswert ist, schon gar nicht vier Pötte. Am Nachmittag noch ein Eis. Eindeutig verboten.
    Heute ist der letzte Tag vor dem großen Fasten. Dieser sogenannte Entlastungstag ist normalerweise kein Zuckerschlecken. Experten erteilen strenge Auflagen: Erlaubt ist höchstens ein Joghurt zum Frühstück, ein bisschen Gemüse als Mittagessen und vielleicht noch ein Apfel am Nachmittag. Das war’s. Von Brötchen, Kaffee und Eis ist nie die Rede.
    Aber das ist mir heute alles egal. Diese Kugel Schokoladeneis ist meine letzte Sünde für die nächsten 40 Tage.
    Dass sich mein Gewicht nicht im dreistelligen Kilobereich bewegt, verdanke ich allein der Tatsache, dass ich täglich 30 Kilometer auf dem Fahrrad zurücklege. So weit ist es nämlich von mir zu Hause zur Arbeit und zurück. Seit ich fünfmal pro Woche mehr als eine Stunde täglich auf einem schmalen ledernen Sattel Feldwege entlang trete, gibt es eigentlich überhaupt keinen Grund mehr, mich beim Essen zurückzuhalten.
    Dasselbe gilt für meinen Kaffeekonsum. Wenigstens aber esse ich so weniger. Fatalerweise hat vor einem Jahr eine Coffee Lounge direkt neben meiner Arbeitsstelle aufgemacht, wo 0,4 Liter Latte macchiato für € 1,99 zu haben sind. An manchen Tagen stehe ich fünfmal an dieser Kaffeetankstelle an der Kasse.
    Ein Tag ohne Kaffee ist Zeitmüll, sagte mir mal ein alter Freund. Mittlerweile sehe ich das auch so.
    Der Verzicht auf Kaffee ist das Schlimmste beim Fasten. Und sämtlicher Kaffeeersatz schmeckt scheußlicher als alkoholfreies Bier. Kaffee ist die subtilste Sucht, der ich bisher verfallen bin.
    Es dämmert, und ich sitze zu Hause am Küchentisch, trinke literweise Apfelschorle und überlege, kurz nach 21 Uhr schon ins Bett zu gehen, nur um den Hunger nicht mehr zu spüren. Genau genommen ist es weniger Hunger. Ich habe Lust auf was Leckeres. Mars? Wildschweinrippchen? Oder heiße Banane aus der Mikrowelle mit Honig!
    Im Bett überdenke ich mein Projekt. Die Idee kam mir vor zwei Wochen in Italien im Urlaub, beim Meditieren. In einem kleinen Bergdorf in der Toskana stieg damals so eine Sehnsucht auf. Alles war so perfekt und gleichzeitig so vergänglich. Diesen Moment wollte ich festhalten, ihn nicht mehr hergeben, das Glück konservieren, einpflanzen und in einem Topf mit nach Hause nehmen.
    Ich saß mit geschlossenen Augen im Schneidersitz und scannte meinen Körper durch, vom Scheitel bis zur Sohle. Für mich die ideale Methode, um ruhiger zu werden. Ich bin dann für mehrere Minuten ganz leer und frei von Gedanken. Und plötzlich ploppen Ideen hoch, unkontrollierte, unerzogene, ungewollte – so wie die, einmal 40 Tage lang zu fasten.
    Bitte denken Sie jetzt nicht, ich wäre so was wie ein Yogi, Sufi oder Sadhu – überhaupt nicht. Auch kein virtuoser Meister der Meditation. Mit Esoterik habe ich nicht viel am Hut. Spiritualität finde ich spannend, solange sie nicht zum Selbstzweck gerät oder mich niemand bekehren will.
    Mir gehen Fragen durch den Kopf , die mich damals in Italien überhaupt erst auf die Idee zu diesem Selbstexperiment gebracht haben: Wieso hörte Jesus nach 40 Tagen Fasten in der Wüste Gottes Wort? Wieso empfing Moses nach 40 Tagen ohne Nahrung auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote? Wieso erlangte Buddha nach 40 Tagen des Darbens unter einem Baum die Erleuchtung? Wieso, wieso geschahen diese Dinge immer ausgerechnet nach 40 Tagen? Und warum sollte nicht auch für mich die Erleuchtung drin sein, wenn ich einfach mal 40 Tage lang faste? Jesus, Moses und Buddha waren
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