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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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Donna.
    »Du kennst ihn? Jerry Fabin?«
    »Jerry Fabin denkt, dass ich es gewesen bin, der ihn mit diesen Wanzen infiziert hat.«
    »Blattläusen.«
    »Nun, damals wusste er noch nicht, was das für Viecher waren. Ich halte mich besser von ihm fern. Als ich ihn zum letzten Mal sah, wurde er richtig bösartig. Es sind die Rezeptoren, in seinem Gehirn, glaub ich. Es scheint mit den Rezeptoren zusammenzuhängen, das steht zumindest neuerdings in den Regierungsinfos.«
    »Das lässt sich doch wieder in Ordnung bringen, oder?«
    »Nein. Es ist irreversibel.«
    »Die Leute in der Klinik haben mir gesagt, dass ich ihn besuchen dürfte und dass sie glauben, er wird wieder…« Freck machte eine hilflose Geste. »Dass er nicht…« Wieder bewegte er seine Hände hilflos hin und her; es war schwierig, in Worte zu fassen, was er über seinen Freund sagen wollte.
    Donna blickte ihn besorgt an. »Du hast doch nicht etwa einen Schaden im Sprachzentrum? Eine Schädigung der – wie nennt man die Dinger doch gleich – der Hinterhauptslappen?«
    »Nein«, sagte er. Mit Nachdruck.
    »Hast du denn irgendwelche Schäden?« Sie tippte sich an den Kopf.
    »Nein, es ist nur… Verstehst du das denn nicht? Ich habe immer Schwierigkeiten, wenn ich über diese beschissenen Kliniken spreche. Ich hasse die Kliniken für neurale Aphasie. Einmal war ich in einer, um so einen Typ zu besuchen. Weißt du, der hat die ganze Zeit versucht, den Fußboden zu bohnern, und die Pfleger sagten, er würd’s nie schaffen. Ich meine, er konnt’s einfach nicht mehr auf die Reihe kriegen, wie man das macht… Was mich so unheimlich geschockt hat, war, dass er’s immer weiter versucht hat. Nicht nur so 'ne Stunde lang oder so, er hat’s immer noch versucht, als ich einen Monat später wieder hingefahren bin. So, als ob er’s immer wieder versucht hätte, wieder und wieder, wie da, wo ich ihn zuerst gesehen hab, bei meinem ersten Besuch. Er konnte einfach nicht kapieren, warum er’s nicht auf die Reihe bekam. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Ausdruck auf seinem Gesicht. Er war sich so sicher, dass er’s hinkriegen würde – wenn er nur endlich herausbekam, was er eigentlich falsch machte. ›Was mache ich denn bloß falsch?‹, fragte er die Pfleger immer wieder. Und es gab keine Möglichkeit, es ihm begreiflich zu machen. Ich meine, sie haben’s ihm erklärt – verdammt noch mal, sie haben’s ihm erklärt –, aber er kriegte es trotzdem immer noch nicht auf die Reihe.«
    »Ich hab gelesen, dass die Wahrnehmungszentren im Gehirn zuerst den Bach runtergehen«, sagte Donna ruhig. »Wenn sich zum Beispiel einer 'nen miesen Schuss gesetzt hat. Ne zu hohe Dosis oder so…« Sie musterte den Wagen, der direkt vor ihnen fuhr. »Sieh mal, da ist einer von diesen neuen Porsches mit zwei Motoren.« Sie zeigte aufgeregt nach vorn. »Wow!«
    »Ich kannte mal einen Typ, der sich einen dieser neuen Porsches frisiert hatte und dann damit auf den Riverside Freeway rausfuhr und ihn auf 75 hochjagte.« Freck gestikulierte wild mit den Händen. »Geradewegs in den Arsch von einem Sattelschlepper. Hat ihn gar nicht gesehen, nehme ich an.« In seinem Kopf ließ er eine Phantasienummer abspulen: Charles Freck, hinter dem Steuer eines Porsche, aber er bemerkte den Sattelschlepper rechtzeitig – alle Sattelschlepper. Und jedermann auf dem Freeway, dem Hollywood Freeway zur Hauptverkehrszeit, bemerkte ihn, Charles Freck. Schließlich konnte man diesen schlaksigen, breitschultrigen, gut aussehenden Macker, der da mit 200 Meilen pro Stunde über den Freeway brauste, auch gar nicht übersehen. Und den Bullen hing der Unterkiefer bis runter auf die Schuhe.
    »Du zitterst ja.« Donna beugte sich zu ihm hinüber und legte ihre Hand auf seinen Arm, eine ruhige Hand, auf die er sofort ansprach. »Fahr langsamer.«
    »Ich bin müde«, sagte Freck. »Ich war zwei Tage und zwei Nächte auf den Beinen und hab Wanzen gezählt. Hab sie gezählt und in Flaschen getan, bis ich vor Müdigkeit aus den Latschen gekippt bin. Und als wir dann am nächsten Morgen aufgestanden sind und uns fertig gemacht haben, um die Flaschen in den Wagen zu laden und sie zu diesem Arzt zu bringen, weil wir ihm die Wanzen zeigen wollten – da war nichts in den Flaschen drin. Leer.« Er konnte das Zittern jetzt selber spüren, konnte es in seinen Händen spüren, die auf dem Lenkrad lagen, konnte die zitternden Hände auf dem Lenkrad sehen, bei zwanzig Meilen pro Stunde. »Alle leer. Die ganzen
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