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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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Während er sich eine ansteckte, schaltete er mit der anderen Hand das Autoradio ein, einen Rock-Sender. Früher einmal hatte er sogar einen Stereo-Kassettenrekorder besessen, aber als er eines Tages mal wieder total abgefüllt gewesen war, hatte er nicht daran gedacht, den Rekorder mit ins Haus zu nehmen, und am nächsten Tag war das Ding verschwunden gewesen. Deshalb hatte er jetzt eben nur noch ein mickriges Radio. Und irgendwann würden sie ihm das wohl auch noch wegnehmen. Egal, er wusste ja, wo er praktisch umsonst ein neues Radio kriegen konnte, besser gesagt: ein gebrauchtes Radio. Im Übrigen war sein Chevy ohnehin reif für den Schrottplatz – die Dichtungsringe waren porös und die Kompression im Eimer. Vermutlich hatte er ein Ventil geschrottet, als er eines Abends mit einer Ladung guten Stoffs über den Freeway nach Hause gerast war. Manchmal, wenn er eine wirklich große Partie gemacht hatte, wurde er paranoid – nicht so sehr wegen der Bullen, sondern weil er befürchtete, dass andere Leute aus der Szene ihm den Stoff klauen könnten, irgend so ein Szenetyp, halb meschugge vor Turkey und dopegeil wie ’n Weltmeister.
    In diesem Moment ging ein weiteres Mädchen vorbei, das Frecks Aufmerksamkeit erregte: schwarzes Haar, hübsch, ein aufreizend langsamer Schlenderschritt. Sie trug eine offene Bolerobluse und eine etwas verwaschene, weiße Baumwollhose. Hey, die kenn ich doch, dachte er. Das ist Bob Arctors Mädchen. Klar, das ist Donna!
    Er stieß die Wagentür auf und schwang sich aus seinem Chevy. Das Mädchen warf ihm einen kurzen, misstrauischen Blick zu und ging weiter, ohne langsamer zu werden. Er folgte ihr.
    Denkt bestimmt, ich will ihr an die Wäsche, dachte er, während er sich zwischen den Passanten einen Weg bahnte. Wie leichtfüßig sie einen Zahn zulegte. Er konnte sie jetzt kaum mehr erkennen – als sie einen flüchtigen Blick über die Schulter zurückwarf. Ein festes, ruhiges Gesicht… Er sah große Augen, die ihn abschätzig musterten. Bestimmt versuchte sie, seine Geschwindigkeit zu kalkulieren und festzustellen, ob er sie würde einholen können. Nicht, wenn sie weiter so ein Tempo vorlegt, dachte er. Mann, die bewegt sich ja wie eine Katze!
    An der Ecke warteten die Leute darauf, dass die Fußgängerampel auf Grün schaltete; Autos bogen mit quietschenden Reifen nach links ab. Doch das Mädchen ging einfach weiter, schnell, aber würdevoll schlängelte sie sich zwischen den dahinschießenden Wagen hindurch. Die Fahrer starrten sie aufgebracht an – sie schien die wütenden Blicke nicht einmal zu bemerken.
    »Donna!« Als die Ampel schließlich umschaltete, stürzte Freck hinter ihr her und holte sie ein. Trotzdem fing sie nicht an zu laufen, sondern ging einfach so zügig weiter wie bisher. »Bist du nicht Bobs Mädchen?« Irgendwie schaffte er es, sich ihr in den Weg zu stellen – um endlich ihr Gesicht genauer mustern zu können.
    »Nein«, sagte sie. »Nein.« Sie kam auf ihn zu, kam genau auf ihn zu; und er wich zurück, weil er plötzlich bemerkte, dass sie ein kurzes Messer in der Hand hielt und dieses Messer genau auf seinen Magen gerichtet war. »Hau ab«, fauchte sie, wobei sie unbeirrt weiterging, ohne langsamer zu werden oder auch nur einen Augenblick lang zu zögern.
    »Bestimmt bist du’s«, sagte Freck. »Wir haben uns mal auf seiner Bude kennen gelernt.« Er konnte das Messer kaum sehen, nur ein winziges Stückchen der Klinge, aber er wusste, dass es da war. Sie würde ihn einfach niederstechen und dann weitergehen. Er wich immer weiter zurück, die Hände in einer abwehrenden Geste erhoben. Das Mädchen verbarg das Messer so geschickt in ihrer Hand, dass keiner der anderen Passanten es sehen konnte. Aber er, Charles Freck, sah es nur zu gut – die Klinge zielte genau auf ihn. Im letzten Augenblick trat er zur Seite – und das Mädchen ging einfach schweigend weiter.
    »Hey, hör doch mal!«, sagte er zu ihrem Rücken und dachte: Ich bin mir ganz sicher, dass es Donna ist. Sie kommt bloß im Moment nicht drauf, wer ich bin und dass wir uns kennen. Hat wohl Angst, dass ich ihr an den Hintern grabsche. Heutzutage muss man verdammt vorsichtig sein, wenn man auf der Straße 'ne fremde Braut anquatscht. Die sind jetzt alle auf der Hut. Na ja, kein Wunder, wenn man bedenkt, was schon so alles passiert ist!
    Heißes kleines Messer, dachte er dann. Wäre besser, wenn die Ladys nicht mit so was rumspielten; jeder Macker könnte ihr das Handgelenk umdrehen und die
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