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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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Bordstein stießen. Der Streifenwagen fuhr vorbei – ohne anzuhalten.
    Für nichts und wieder nichts raus gefahren, dachte er. Jetzt werde ich meine liebe Mühe damit haben, wieder rückwärts rauszusetzen, weil der Verkehr so dicht ist. Er stellte den Motor ab. Vielleicht sollte ich einfach ein Weilchen hier sitzen bleiben und Alphameditation machen oder mich in höhere Bewusstseinszustände versetzen. Vielleicht indem ich mir die Bräute anschaue, die da so vorbeispazieren. Möchte wissen, ob’s irgendwo eine Firma gibt, die Geiloskope herstellt. Statt Alpha-Bioskopen. Geilheitswellen, erst sehr kurz, dann länger, größer, größer, bis sie schließlich über die Skala hinausschießen.
    Das bringt alles nichts, begriff er dann. Ich sollte unterwegs sein, um herauszufinden, ob irgendwo Stoff zu bekommen ist. Ich brauche unbedingt Nachschub, sonst klinke ich bald wirklich aus, und dann werd ich überhaupt nichts mehr geregelt kriegen. Wenn’s mal so weit ist, werd ich nicht mal mehr am Bordstein sitzen können, so wie jetzt. Ich werde dann nicht nur nicht mehr wissen, wer ich bin, ich werde nicht mal mehr wissen, wo ich bin oder was um mich herum läuft.
    Was läuft hier eigentlich? Was für einen Tag haben wir heute? Wenn ich nur wüsste, welcher Tag heute ist, würde mir auch alles andere wieder einfallen; es würde nach und nach in mein Gehirn zurücksickern.
    Mittwoch, Downtown von L.A. Westwood-Bezirk: Direkt vor Charles Freck eine dieser riesigen Einkaufsarkaden, von einer Mauer umgeben, an der man wie ein Gummiball abprallt – außer man hat eine Kreditkarte dabei, mit der man durch den elektronischen Sperrgürtel gelangen kann. Da Freck für keine der Arkaden eine Kreditkarte besaß, kannte er das Innere der Läden nur vom Hörensagen. Offenbar gab es in den Arkaden eine ganze Reihe von Läden, die Qualitätsprodukte an die Spießer verkauften – vor allem natürlich an die Spießerehefrauen. Er sah zu, wie die uniformierten und bewaffneten Wächter am Haupttor die Kunden einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Die Wächter achteten darauf, dass der Mann oder die Frau auch wirklich zu seiner oder ihrer Kreditkarte passte und dass die Karte nicht geklaut, verkauft, gekauft worden war oder in betrügerischer Absicht benutzt wurde. Eine Menge Leute strömten durch den Haupteingang hinein, aber Freck vermutete, dass etliche davon nur einen Schaufensterbummel machen wollten. Die können doch nicht alle das brennende Verlangen haben, um diese Zeit einkaufen zu gehen, überlegte er. Es ist schon spät, kurz nach zwei. Zwei Uhr nachts. Die Läden waren hell erleuchtet. Wie alle seine Freak-Brüder und -Schwestern, die in dieser Nacht unterwegs waren, konnte Freck die Lichter von draußen sehen, Lichter wie bunte Funkenkaskaden, wie ein Vergnügungspark für große Kinder.
    Auf dieser Seite der Einkaufsmall gab es nicht viele Geschäfte, die keine Kreditkarten verlangten und sich nicht von bewaffneten Wächtern schützen ließen. Nur ein paar Läden für alltägliche Besorgungen – ein Schuhgeschäft, ein TV-Shop, eine Bäckerei, ein Schlüsseldienst, eine Schnellwäscherei. Freck schaute zu, wie ein Mädchen, das ein kurzes Plastikjäckchen und eine Stretchhose trug, von Geschäft zu Geschäft schlenderte. Die Kleine hatte hübsche Haare, aber von hier aus konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, und man musste schon das Gesicht sehen, um beurteilen zu können, ob eine Braut wirklich scharf war. Keine schlechte Figur, dachte er. Das Mädchen blieb eine Zeit lang vor einem Schaufenster stehen, in dem Lederwaren ausgestellt waren. Sie schien sich für einen mit Quasten verzierten Geldbeutel zu interessieren; Freck sah, wie die Kleine sich die Nase an der Schaufensterscheibe platt drückte und hin- und hergerissen den Geldbeutel anstarrte. Wetten, dass sie gleich reingeht und ihn sich zeigen lässt?, dachte er. Im nächsten Augenblick tänzelte das Mädchen tatsächlich in den Laden, ganz wie Freck es erwartet hatte.
    Seine Aufmerksamkeit richtete sich dann auf eine andere Braut, die den Bürgersteig entlanggeschlendert kam. Sie trug eine gekräuselte Bluse und hohe Absätze, silberne Haare und zu viel Make-up. Versucht, älter auszusehen, als sie ist, dachte er. Vielleicht geht sie sogar noch auf die High School. Nach dieser Braut kam nichts mehr, was der Rede wert gewesen wäre. Freck machte den Bindfaden los, der die Klappe des Handschuhfachs an ihrem Platz hielt, und holte ein Päckchen Zigaretten heraus.
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