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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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keuchte er und richtete sich auf, »du machst weiter damit, die Viecher in die Gläser zu tun, während ich mal eben unter die Dusche springe, okay?« Er stürzte in Richtung Badezimmer davon.
    »Okay«, sagte Freck. Seine langen Beine zitterten, als er sich zu einem der Gläser drehte, die Hände schalenartig zusammengelegt. Als Ex-Veteran hatte er seine Muskeln jedoch noch immer ganz gut unter Kontrolle – er schaffte es bis zum Glas, ohne umzukippen. Doch dann rief er plötzlich: »Jerry, hey, diese Wanzen machen mich irgendwie nervös. Mir gefällt das gar nicht, wenn ich hier so ganz allein bin.« Er stand auf.
    »Dämlicher Angsthase!« Jerry lehnte sich einen Augenblick lang im Badezimmer an die Wand, schwer atmend vor Schmerzen.
    »Könntest du nicht…«
    »Ich muss erst 'ne Runde duschen!« Jerry knallte die Tür zu und drehte an den Reglern der Dusche. Das Wasser rauschte herab.
    »Ich fürchte mich aber hier draußen.« Obwohl Freck lauthals brüllte, drang seine Stimme nur schwach an Jerrys Ohren.
    »Dann hau doch ab und fick dich ins Knie!«, schrie Jerry zurück und stieg unter die Dusche. Zu was sind Freunde eigentlich gut?, fragte er sich verbittert. Zu gar nichts. Scheiße noch mal, wirklich zu gar nichts.
    »Beißen diese Scheißviecher?«, schrie Freck, der jetzt offenbar direkt vor der Badezimmertür stand.
    »Natürlich beißen sie«, sagte Jerry, während er sich Shampoo in die Haare rieb.
    »Das hab ich befürchtet.« Eine Pause. »Hey, kann ich mal reinkommen und mir die Hände waschen, damit ich sie wieder abkriege? Und dann warten, bis du fertig bist?«
    Scheiße im Quadrat, dachte Jerry voller Bitterkeit. Er sagte nichts, er schrubbte sich nur weiter ab. Dieser Bastard war es gar nicht wert, dass man ihm eine Antwort gab… Er kümmerte sich nicht mehr um Charles Freck, sondern nur noch um sich selbst. Kümmerte sich nur noch um seine eigenen lebenswichtigen, schrecklichen, dringenden Bedürfnisse, die ihn mit Haut und Haaren in Anspruch nahmen. Alles andere war zweitrangig. Mit Ausnahme des Hundes vielleicht. Jerry machte sich immer noch Gedanken über Max, den Hund.
     
    Charles Freck rief einen Typ an, von dem er hoffte, dass er einen Posten Stoff im Angebot hatte. »Kannste mir auf die Schnelle zehn Ts rüberschieben?«
    »Mann, ich sitz doch selbst auf dem Trockenen und versuch gerade, was ranzuschaffen. Sag mir Bescheid, wenn du was auftreibst, ich könnte dringend was gebrauchen.«
    »Was ist denn mit dem Nachschub los?«
    »Schätze, die ham ’n paar Lieferungen gekascht.«
    Freck hängte ein. Während er deprimiert aus der Telefonzelle trat – kein Doper wickelte einen telefonischen Deal über seinen eigenen Anschluss ab – und langsam zu seinem daneben abgestellten Chevy trottete, spulte er in seinem Kopf eine Phantasienummer ab. In dieser Phantasienummer fuhr er an einer Discount-Drogerie vorbei und die Discount-Macker hatten das ganze Schaufenster mit Langsamem Tod dekoriert: Langsamer Tod in Flaschen, Langsamer Tod in Dosen, Langsamer Tod in Gläsern und Badewannen und Bottichen und Schüsseln, Millionen von Kapseln und Tabletten und Fixen mit Langsamem Tod, Langsamer Tod gemixt mit Speed und Junk und Barbituraten und psychedelischen Drogen… eben alles, was das Herz begehrt. Und über der Auslage prangte ein riesiges Schild: HIER KRIEGEN SIE KREDIT! Vom Rest des Textes ganz zu schweigen: BILLIG BILLIG BILLIG, DIE NIEDRIGSTEN PREISE IN DER GANZEN STADT!
    In Wirklichkeit allerdings hatte die Discount-Drogerie für gewöhnlich nur nutzloses Zeug in der Auslage: Kämme, Flaschen mit ätherischen Ölen, Deosprays – immer den gleichen Schund. Aber ich möchte darauf wetten, dass diese Macker in den Hinterzimmern ihrer Läden Langsamen Tod unter Verschluss halten, reinen, ungepanschten, unverfälschten, unverschnittenen Langsamen Tod, dachte Freck, während er aus der Parklücke setzte und sich in den Nachmittagsverkehr auf dem Harbor Boulevard einfädelte. Ein Päckchen mit zwanzig Kilo drin, mindestens.
    Er hätte für sein Leben gerne gewusst, wann und wie sie jeden Morgen das Zwanzig-Kilo-Päckchen mit Substanz T bei der Discount-Drogerie ausluden und woher der Stoff eigentlich kam – aus der Schweiz womöglich oder von einem fernen Planeten, auf dem eine weise Rasse lebte. Vielleicht wusste das auch nur der liebe Gott. Vielleicht lieferten sie den Stoff ja in aller Herrgottsfrühe aus, unter dem Schutz bewaffneter Wächter – unter dem Feuerschutz des Mannes, der da
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