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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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in die Tiefe schraubende Spirale. »Der dunkle Schirm« ist Dicks pessimistischster Roman. Der Pessimismus findet seinen Ausdruck in der Struktur der Geschichte. Die Linearität der Handlung macht deutlich: Hier gibt es keine Alternative. Hier gibt es keine Parallelwelt. Hier sind nicht einmal die Drogen Türöffner in eine andere Realität. Hier kann nichts Unvorhergesehenes Fred/Bob Arctor ganz anderswohin katapultieren. Hier ist kein Erwachen aus dem Albtraum möglich. Hier gibt es kein Chaos. Hier gibt es nur den unaufhaltsamen Abstieg. Während Dick in den Romanen der sechziger Jahre die Realität durch eine sinnverwirrende Verknüpfung und Durchmischung unterschiedlicher und widersprüchlicher Realitäten zertrümmerte, zertrümmert er sie in »Der dunkle Schirm« auf eine viel kühlere und endgültigere Art: Indem er im Gegenteil keine Alternative und damit keine Hoffnung zulässt. Erst ganz am Schluss kommt es zu einer überraschenden Wende, beziehungsweise einer Weiterentwicklung der Geschichte: Ausgerechnet Donna Hawthorne entpuppt sich als FBI-Agentin und die Zertrümmerung von Bob Arctors Persönlichkeit erweist sich als Teil einer groß angelegten Operation: Nur als menschliches Gemüse kann Donna ihn in die Rehabilitationsklinik einliefern, nur so kann er den Neuen Pfad infiltrieren – in der Hoffnung, die Kur werde sein Bewusstsein so weit wiederherstellen, dass er eines Tages in der Lage ist, Beweise für den Verdacht, der Neue Pfad sei der hauptsächliche Produzent von Substanz T, zu liefern. Das Beweismaterial würde es dem FBI erlauben, den perfekten Kreislauf dieses neuen Pfades zu zerschlagen: Substanz-T-Opfer züchten die Droge, der Neue Pfad vertreibt sie, noch mehr Süchtige stranden in den Zentren des Neuen Pfades und züchten mehr Substanz T… (Man kann sich, gerade vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und der Finanzierung von CIA-Operationen durch Heroinhandel, allerdings fragen, ob ein Unternehmen dieser Größenordnung ohne Unterstützung oder zumindest Mitwissen von Staat oder Geheimdiensten möglich ist. Und ob die Absicht hinter der Verbreitung von Substanz T nicht gerade die von Dick in seiner Vancouver-Rede angesprochene Androidisierung missliebiger Gesellschaftsgruppen sein könnte – und schon ist man mittendrin in Dicks wunderbarer Welt endloser, in alle Richtungen wuchernder Spekulationen.)
    Optimismus und Happy Ends sind Dicks Sache nicht. Einen Roman mit einem klaren, die losen Fäden verknüpfenden Ende versehen, auch nicht. Lieber beginnt er im letzten Kapitel schon einen neuen Roman – das ist auch in »Der dunkle Schirm« nicht anders. Allerdings blüht in den letzten Zeilen so etwas wie Hoffnung auf: »Ich habe es gesehen«, sagt Bruce, als ihm Donald, der Direktor des Neuen Pfades, die blaue Blume zeigt. Dann denkt er: »Ich habe es gewusst. Ich habe gesehen, wie Substanz T wächst. Ich habe gesehen, wie der Tod aus der Erde sprießt…« Er reißt eine Blume aus und versteckt sie in seinem rechten Schuh. »Ein Geschenk für meine Freunde.« Bruce will die Blume Mike schenken, der damit die Verstrickung des Neuen Pfades in den Handel mit Substanz T wird beweisen können. Dieser leise Optimismus wird aber in Frage gestellt, ja zertrümmert durch die moralischen Implikationen von Freds Annihilation. In dem bereits erwähnten Gespräch mit Mike verurteilt Donna das Vorgehen des FBI, Fred ohne sein Wissen für diese Ermittlungen geopfert zu haben, mit Argumenten, die der von Dick in seiner Vancouver-Rede geäußerten Überzeugung fast aufs Wort gleichen: »Die Herabsetzung des Menschen zum bloßen Gebrauchsgegenstand – Menschen in Maschinen verwandelt, auch wenn die Absicht ›gut‹ im abstrakten Sinne für ihre Auftraggeber ist –, das sehe ich als das größte, schlimmste Verbrechen an.«
    Es gibt keine Entschuldigung dafür, einen Menschen ohne sein Wissen zum Androiden zu machen. Kein Zweck heiligt dieses Mittel. Der mögliche Sieg der Drogenermittlungsbehörde über die Substanz-T-Barone des Neuen Pfades ist moralisch verwerflich und wertlos. Für Bruce selber gibt es schließlich keine Hoffnung mehr. Wie der im Eingangszitat erwähnte Androide wird er niemals wieder ein Mensch sein. »Er wird nie wieder in seinem Leben, nie wieder, ein aktives Bewusstsein haben. Nur noch Reflexe«, unterstreicht eine desillusionierte Donna am Schluss des Romans. »Darum lastet ein schlechtes… Karma auf uns. Ich spüre es in meinem Rücken. Wie ein Leichnam. Ich trage einen
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