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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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Handlung ist reduziert auf die Wiederholung einiger Situationen, in denen kaum mehr als Leerlauf produziert wird. Freds Ermittlungen als Drogenspitzel entpuppen sich als Leerlauf, ein Leerlauf sind auch seine Meetings mit seinem Vorgesetzten Hank, die Drogentrips bringen ihn nirgendwohin, die Gespräche mit Barris und Luckman sind Leerläufe von geradezu virtuosem Stumpfsinn, und als ein Leerlauf erweisen sich auch Bobs Bemühungen um Donna. Wie Fred beim Betrachten der Holos aus seinem Haus immer wieder auf die Schnellvorlauftaste drückt, könnte der Leser im Roman beliebig vor und zurück blättern – er würde immer wieder auf identische oder zumindest sehr ähnliche Szenen stoßen und den Eindruck erhalten, dass die Handlung nicht vorankommt. Wiederholungen mit minimalen Variationen. Endlosschlaufen, Loops in der Realität wie auch auf dem Bildschirm. Die einzige Entwicklung: Die unaufhaltsame Zersetzung von Freds Persönlichkeit. Letztlich ist nämlich der ganze äußere Plot, das Gendarme-Spiel zwischen Dealern, Konsumenten und Polizei, nur eine Metapher für das, was sich in Fred/Bob Arctor – Dealer, Konsument, Verdächtiger und Ermittler in einem – abspielt.
    Normalerweise überrascht, erschreckt und unterhält Dick seine Leser mit narrativen Paukenschlägen und Purzelbäumen – in »Der dunkle Schirm« hingegen arbeitet er mit subtilen, anfänglich kaum merklichen Verzerrungen; er sät Zweifel, Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Bobs/Freds Wahrnehmung, Zweifel an den Absichten der einzelnen Protagonisten, Zweifel an Jim Barris, aber auch Zweifel an Bobs Verhalten – nichts und niemand ist, das spürt man, ohne es begründen zu können, ziemlich früh, wirklich das, was er zu sein scheint, jeder und jede scheint die anderen zu täuschen. Wird der dröge Alltagstrott durch ein überraschendes Ereignis belebt und gewinnt die Handlung an Tempo und Suspense, erweist sich das meistens als Sackgasse und dient nicht der Wahrheitsfindung, sondern im Gegenteil ihrer Verschleierung. Die Geschichte mit dem ungedeckten Scheck etwa: Der Verdacht, der anfänglich ganz klar auf Jim Barris fällt, erweist sich, wie Bob/Fred eher unwillig einräumen muss, als falsch. Schlimmer noch: Bobs/Freds Vergesslichkeit lässt ihn in einem schlechten Licht dastehen; offenbar hat er sein Leben nicht im Griff, und das wiederum stellt seine Wahrnehmung der Realität und damit seine ganze Arbeit als Polizeispitzel in Frage. Dick schafft eine fragmentierte Realität, ein Hologramm der Wirklichkeit, ein Schattenspiel, das keinen echten Blick ins Innenleben der Protagonisten erlaubt; so sät er Zweifel an Bobs/Freds Zurechnungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit, und diese Verzerrungen im Detail verdichten sich im Lauf des Romans zu einer beklemmenden Atmosphäre der Verunsicherung – bis man durchaus geneigt ist, der an sich haarsträubenden Anschuldigung Jim Barris’, Bob Arctor sei Kopf einer umstürzlerischen Verschwörung, Glauben zu schenken. Große Überraschungen und Brüche bleiben indes aus und die Linearität des Plots und damit seine Berechenbarkeit über weite Strecken treiben, so Dick sinngemäß in »Androiden und Menschen«, der Wirklichkeit jegliche Hoffnung aus. Seine unbändige Fabulierfreude, von der er sich auch in seinen besten Romanen immer mal wieder zu völlig unlogischen, ja widersinnigen Situationen und zu Momenten köstlichsten Chaos hinreißen ließ (und im Chaos keimt, so Dick, immer auch Hoffnung), hat er hier mit beeindruckender Disziplin gedrosselt. Selbst in »Die drei Stigmata des Palmer Eldritch«, seinem Roman über »das absolut Böse« (Dick), glüht dank des Unvorhergesehenen, das immer und überall eintreffen kann, und dank des wild wachsenden Labyrinths aus Realitäts- und Irrealitätsebenen noch ein Funken Hoffnung. Natürlich führt jede neue Stufe im Chew-Z-Trip zu einer Verschlimmerung der Situation von Barney Mayerson und Leo Bulero – aber zumindest rein theoretisch existiert die Chance, dass sie irgendwann, irgendwo in einem künstlichen Paradies landen könnten. Egal wie klein diese Wahrscheinlichkeit gerade in einem Dick-Roman ist – es gibt sie und mit jeder Falltür, die Dick aufreißt, kann der Leser mit den Figuren einen Moment lang hoffen, jetzt purzeln wir in die Wirklichkeit zurück, jetzt wird alles wieder gut. Nicht so in »Der dunkle Schirm«. Das Prinzip Hoffnung ist tot. Die Mutation Bobs/Freds zum Androiden verläuft linear und gleichförmig, wie eine resigniert sich
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