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Der Duke, der mich verführte

Der Duke, der mich verführte

Titel: Der Duke, der mich verführte
Autoren: Delilah Marvelle
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gemacht habe. Da du nicht hier bei mir sein kannst, schicke ich dir stattdessen diese Steine in der Hoffnung, dass du dir all die Orte vorstellen kannst, an denen ich gewesen bin. Und damit genug der Nettigkeiten. Ich muss sagen, dass ich zutiefst von dir enttäuscht bin. Ich fühle mich betrogen, und mit jedem Tag glaube ich mehr, dass du mich überhaupt nicht liebst, dass du mich nie geliebt hast, denn sonst hättest du meinen Eltern nichts beweisen müssen. Sollte ich mich über deine Gefühle täuschen, hoffe ich, dass du mich so bald als möglich eines Besseren belehren wirst. Ich will aber keinen Brief. Ich will keine schönen Worte oder leeren Versprechungen, denn du hast recht: Worte bedeuten nichts. Und nun, da wir so weit voneinander entfernt sind, bedeuten sie noch weniger. Ich habe festgestellt, dass es mir viel mehr bedeutet, wenn wir einander unsere Gefühle zeigen, als wenn wir viele Worte darum machen. Die nächsten vier Monate bin ich noch hier in De Kloof, wo wir bei einem alten Freund der Familie zu Besuch sind. Es ist ein kleines Eingeborenendorf nahe der Asbesberge. Mit einem Ochsenkarren dürftest du von Kapstadt drei Wochen brauchen, bis du bei mir bist. Wenn du mich liebst, Radcliff, nimm diese lange Reise auf dich und weiche nie mehr von meiner Seite. Es ist mir gleich, ob wir hierbleiben oder nach London zurückkehren. Ich will nur, dass wir zusammen sind. Wenn du mich jedoch nicht liebst, bitte ich dich, in London zu bleiben und um die Scheidung zu ersuchen. Denn so kann ich nicht leben. Auch wünsche ich nicht, den Namen eines Mannes zu tragen, der mich nicht liebt. Ich habe nie von dir erwartet, dass du perfekt bist. Ich habe nur erwartet, dass du ein guter Mensch bist. Und das, mein liebster Radcliff, bist du, wie ich längst weiß. Voller Sehnsucht erwarte ich dich,
    immer die deine,
    Justine
    Selbst nach all der Zeit, nach all den Wochen, die sie einander weder gesehen noch gesprochen hatten, wollte sie ihn noch immer. Sie brauchte ihn. Sie sehnte sich nach ihm. So wie er sie wollte, sie brauchte, sich nach ihr sehnte. Sie liebte.
    „Justine“, flüsterte er.
    Er hob den Brief an die Lippen und küsste ihn, faltete ihn dann sorgsam zusammen und steckte ihn sich in die Westentasche, direkt über seinem Herzen.
    Hach! Er atmete tief durch. Selten war er so mit sich und der Welt zufrieden gewesen. Ihm war, als könnte er ganz Afrika mit dem kleinen Finger erobern. Beschwingten Schrittes eilte er an die offene Tür und brüllte nach seinem Butler: „Jefferson! Packen Sie alle gottverdammten Koffer, die Sie finden können! Und hurtig, wenn ich bitten darf. Wir beide reisen mit dem nächsten Schiff nach Kapstadt.“
    De Kloof, Südafrika,
sechs Wochen später
    Noch immer schien die Sonne sich geradewegs durch Justines Hut und die zahlreichen Stofflagen ihres baumwollenen Kleides zu brennen, das ihr auf der schweißnassen Haut klebte. Hin und wieder tanzte ein warmer Wind über sie hinweg, der aber immerhin die Haut ein wenig kühlte und kurzfristige Erleichterung verschaffte, derer sie nach einem langen Tag in der sengenden Hitze dringend bedurfte.
    Sie kniete nieder und hob einen kleinen, zerfurchten Stein vom heißen trockenen Boden auf. Seufzend stand sie wieder auf, strich mit den Fingern über die rauen Kanten des Steins und kehrte langsam zu der Hütte zurück, in der sie und ihre Eltern während der letzten Wochen bei Aloysius gewohnt hatten. Vor dem Eingang blieb sie stehen und warf den Stein in einen Weidenkorb, der an der Wand der Hütte stand. Mit einem dumpfen Laut schlug er zwischen all den anderen Steinen auf.
    „Siebenundfünfzig“, murmelte sie.
    Siebenundfünfzig Tage, seit sie Bradford ihr Ultimatum gestellt hatte. Siebenundfünfzig. Sie wollte nur hoffen, dass die Briefbeförderung in Afrika ebenso zuverlässig funktionierte wie die in London. Aber andererseits machte sie lieber die Post dafür verantwortlich, dass er nicht kam, als sich einzugestehen, dass er sie nicht liebte. Schlicht und ergreifend.
    Seufzend blickte sie zum strahlend blauen, wolkenlosen Himmel hinauf, den die tief stehende Sonne bereits in einen rosig-orangen Schimmer tauchte. Dann seufzte sie noch einmal, drehte sich um und trat in die Hütte. In einer Ecke saß ihr Vater im Schneidersitz auf einer Strohmatte und war damit beschäftigt, seine jüngsten Beobachtungen an Echsen auf Skizzenpapier festzuhalten. Wie ein kleiner Junge war er ganz in sein Tun versunken. Ihre Mutter saß neben ihm, den
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