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Der Duke, der mich verführte

Der Duke, der mich verführte

Titel: Der Duke, der mich verführte
Autoren: Delilah Marvelle
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Krawatte, die ihm schon den ganzen Morgen über die Luft abgeschnürt hatte, zog sie sich vom steif gestärkten Kragen und warf sie auf den Schreibtisch. Dann lehnte er sich zurück und starrte auf den hohen Stapel Wirtschaftsbücher, den er noch nicht angerührt, aber dringend zu begutachten hatte. Daneben lag Justines kleines rotes Buch: Wie man einen Skandal vermeidet. Das hatte er mittlerweile ganze achtzehn Mal gelesen und trug es stets bei sich. Ja, er schlief sogar damit, schob es sich vor dem Einschlafen unter das Kissen, als könnte es ihm in auch nur irgendeiner Weise ersetzen, was in seinem Leben fehlte: Justine.
    Er atmete tief durch. Zehn Wochen. Zehn Wochen und nicht ein Wort von ihr. Nicht ein einziges gottverdammtes Wort. Was hatte ihr Schweigen zu bedeuten? Dass es mit ihrer Ehe vorbei war? Dass sie ihr Glück anderswo gefunden hatte?
    Obwohl er sich Tag für Tag davon zu überzeugen versuchte, dass er schon damit zurechtkäme, wenn er sie nie mehr sähe, nie mehr mit ihr redete, sie nie mehr liebte, war doch all sein Bemühen vergebens.
    Er käme überhaupt nicht damit zurecht.
    Und zum ersten Mal in seinen dreiunddreißig Jahren verspürte er keinerlei Lust auf jegliche körperlichen Freuden. Im Gegenteil: Allein die Vorstellung, sich selbst Erleichterung zu verschaffen oder sich mit einer anderen Frau zu vergnügen, stieß ihm sauer auf.
    Von fern vernahm er Schritte, die stetig näher kamen, bis schließlich Jefferson in sein Arbeitszimmer marschiert kam. In gemessener Entfernung des Schreibtischs blieb er stehen, in den Händen ein großes, in Sackleinen gewickeltes Päckchen, darauf einen pyramidenförmig geschichteten Stapel Briefe. „Die Post von heute, Euer Gnaden.“
    Radcliff murmelte irgendetwas Unverständliches und fegte Justines Benimmfibel mit rüder Geste vom Tisch, dass sie mit flatternden Seiten zu Boden flog. Dann schnappte er sich eines der dicken Bücher und schlug es wahllos auf. Den Blick auf die endlos langen Zahlenkolonnen gesenkt, brummte er: „Legen Sie sie irgendwo hin. Ich habe jetzt keine Zeit für die Post. Erst muss ich mich um die leidigen Finanzen kümmern. Diese Art der Beschäftigung sorgt doch immer wieder für Erheiterung.“
    Eigentlich hatte das zwar auch noch bis nächste Woche Zeit, aber er wollte sich einfach nicht mit der Post befassen. Er hatte keine Lust, schon wieder einen Stapel nutzlosen Papiers zu sichten und jeden Tag aufs Neue diese bodenlose Enttäuschung zu erleben, wenn wieder nichts dabei war. Nichts von ihr.
    Jefferson räusperte sich. Recht vernehmlich, und das gleich zweimal. „Euer Gnaden, dieses Päckchen ist von der Duchess.“
    Wie vom Donner gerührt sah Radcliff auf. „Im Ernst? Sie hat endlich geschrieben?“
    Der Butler lächelte. „Das hat sie, Euer Gnaden.“
    Mit bangem Blick beäugte er das unförmige Päckchen, das Jefferson ihm mit dem Rest der Post entgegenhielt. Obwohl er zu gern glauben würde, dass seine Justine ihm ein Geschenk schickte, um ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte und vermisste, überwogen doch seine Befürchtungen, dass genau das Gegenteil der Fall sein könnte. Vielleicht schickte sie ihm ja einen Totenschädel. Mit seinem Namen darauf. Nicht, dass ihn das gewundert hätte.
    Jefferson hob fragend eine Braue und trat näher. „Ich habe nicht einen Tag daran gezweifelt, dass sie schreiben würde. Nicht einen Tag.“
    Radcliff räusperte sich umständlich und schob seinen Stuhl zurück. Bedächtig stand er auf, gab sich den Anschein von Ruhe und Gelassenheit, während er sich doch am liebsten auf dieses Päckchen gestürzt hätte wie ein Kind auf sein Weihnachtsgeschenk.
    Gemessenen Schrittes kam er hinter dem Schreibtisch hervor, ging Jefferson entgegen und versuchte, sich zu zügeln. Wenn es Justine nur genauso erginge wie ihm! Wenn sie ohne ihn kaum noch einen Atemzug tun könnte!
    Vor Jefferson blieb er stehen, zog sich die Ärmel seines Rocks straff, strich sich über die Manschetten, als habe er alle Zeit der Welt. Dann griff er sich die Briefe und steckte sie, ohne sie eines Blickes zu würdigen, in seine Rocktasche. Schließlich – endlich! – nahm er seinem Butler das sackleinene Päckchen ab.
    Er war angenehm überrascht, wie schwer es in seinen Armen wog. „Danke, Jefferson.“
    Jefferson nickte stumm, entfernte sich indes nicht. Er verweilte, den Blick unverkennbar neugierig auf das Päckchen gerichtet.
    Schützend drückte Radcliff es an seine Brust und bedachte seinen Butler mit
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