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Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...

Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...

Titel: Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
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Eins
    Port Hastings, Washington — 7. März, 1891
    Sie tauchte aus dem strömenden Regen
auf. Sie rannte, was das Zeug hielt, und versuchte, ihr im Sturm flatterndes
Hochzeitskleid zu raffen. Ein Kranz aus welken Blumen bedeckte ihr schwarzes
Haar, dessen nasse Flechten ihr bis auf die Hüften reichten. Ihr Kleid war
ruiniert: ihre zierlichen Schuhe aus weißem Satin vom Regen durchweicht und
schmutzig.
    Quinn Rafferty stand auf der
Plattform seines privaten Eisenbahnwaggons und war so fasziniert, daß er weder
auf den strömenden Regen achtete noch den schrillen Pfiff hörte, der die
bevorstehende Abfahrt des Zuges ankündigte. Er sah nur das junge Mädchen, das
nun die Schienen erreichte und blindlings auf ihn zurannte.
    Ihr fester, sehr weiblicher Busen
war für Quinn von seinem erhöhten Standpunkt aus deutlich zu sehen, und er
lächelte anerkennend. Als der Zug sich ratternd in Bewegung setzte, preßte die
junge Braut die Lippen zusammen und begann noch schneller zu laufen.
    »Hey, Sie ... helfen Sie mir doch!«
keuchte sie und streckte eine Hand aus.
    Quinn beugte sich wie ein
Schlafwandler vor, packte ihren Arm und zog sie auf die Plattform.
    Ihr kleiner, schlanker Körper
prallte gegen ihn, und obwohl es kein harter Zusammenstoß war, verschlug es
Quinn den Atem, als wäre er plötzlich in eine Lawine geraten.
    Das Mädchen keuchte vor Erschöpfung,
ihre blauen Augen funkelten zornig. Als Quinn sich von seiner Verblüffung
erholt hatte, zog er lächelnd den Hut vor der jungen Frau, musterte sie
neugierig und hatte dabei wieder das seltsame Gefühl, zwischen Naturgewalten
geraten zu sein ...
    »Das kam sehr überraschend«, sagte
er schroff, um seine Verwirrung zu verbergen.
    Das Mädchen drehte sich um und
schaute mit einer Spur Wehmut in ihrem Blick nach Port Hastings zurück. Eine
Gruppe aufgeregter Hochzeitsgäste hatte sich auf dem Bahnsteig versammelt und
starrte dem Mädchen durch den Regen nach. Einige von ihnen versuchten, ihr
etwas zuzurufen, andere schwenkten die Arme und winkten.
    »Verzeiht mir«, flüsterte sie, hob
ihre zierliche, behandschuhte Hand an die Lippen und warf ihnen eine Kuß-hand
zu.
    Drei Männer bildeten die Vorderfront
der kleinen Gruppe. Derjenige von ihnen, der einen Priesterkragen trug, hob
grüßend die Hand und lächelte nur traurig, aber die anderen beiden sahen aus,
als würden sie am liebsten die Schienen aufreißen, um den Zug auf diese Weise
anzuhalten.
    Quinn fragte sich, wer von ihnen der
sitzengelassene Bräutigam sein mochte. Und obwohl er sich nie vor einem Mann
gefürchtet hatte — mit Ausnahme seines eigenen Vaters —, war er froh, diesen
beiden Männern keine Erklärung abgeben zu müssen. Doch dieser Gedanke löste ein
Gefühl trotzigen Stolzes in ihm aus.
    »Gehen wir hinein?« fragte er das
Mädchen und reichte ihr galant den Arm.
    Sie nahm ihn würdevoll und erlaubte
Quinn, sie in den Waggon zu führen.
    Dort schaute sie sich um, völlig
unbeeindruckt von dem Luxus, für dessen Erlangung Quinn sein Leben lang
gearbeitet hatte, und setzte sich mit ihrem nassen Kleid auf eine samtbezogene
Bank. Während Quinn zum eingebauten Barschrank ging und zwei großzügig
bemessene Brandys für sich und die entlaufene Braut einschenkte, streifte sie
gelassen die Schuhe ab.
    »Wie heißen Sie?« fragte er dann.
    Sie nahm das Glas ohne das
mädchenhafte Sträuben an, das Quinn erwartet hätte, und schaute für einen
Moment nachdenklich über seine linke Schulter. »Pull-man«, sagte sie nach einem
fast unmerklichen Zögern. »Melissa Pullman.«
    Quinn nahm ihr gegenüber Platz.
»Nun?« fragte er auffordernd, als Miss Pullman nach mehreren kräftigen Schlucken
Brandy noch immer keine Erklärung abgegeben hatte.
    »Nun was?« entgegnete sie spitz.
    »Ich möchte wissen, was Sie hier
machen«, erwiderte Quinn gereizt. »Soviel sind Sie mir schuldig — oder etwa
nicht?«
    Das Mädchen seufzte und ließ die
Schultern hängen. »Mag sein«, gab sie zu, und plötzlich tat sie Quinn leid.
    Doch dieses Gefühl war nur von
kurzer Dauer.
    »Aber ich glaube nicht, daß ich
Ihnen alles erzählen werde«, fügte sie hinzu und sah ihn prüfend an. »Sie sind
ein Mann.«
    »Danke sehr.«
    »Nichts zu danken«, versetzte sie.
»Es war kein Kompliment. Wie ist Ihr Name, Sir?«
    »Rafferty«, antwortete ihr Gastgeber
verärgert. »Quinn Rafferty.« Obwohl er unbestrittenerweise der beste
Pokerspieler in vier Distrikten war, fiel es ihm schwer, eine unbewegte Miene
zu bewahren. Und was
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