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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Schneidebrett verspritzt. Wenn man ein ordentlicher Koch sein will, ist ein Kater nicht gerade förderlich. Ich hatte ein noch schlimmeres Chaos angerichtet als Mama früher.
    »Du kannst etwas davon abhaben, wenn du willst.«
    Er nickte.
    »Ich bin übrigens Grace und mit …«, ich deutete so lässig wie möglich auf Dans Zimmer. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, und wo die Bettdecke weggerutscht war, konnte man eine nackte Hinterbacke sehen.
    Dans Mitbewohner schaute in die Richtung, in die ich gezeigt hatte. »Aha.« Dans Nacktheit schien keinen großen Eindruck auf ihn zu machen. Ich nahm an, dass das kein ungewohnter Anblick für ihn war. »Ich bin Pete. Also, wenn du schon so fragst, dann gerne.«
    Wir saßen am Wohnzimmertisch und sahen Nachrichten. Die Tarte war himmlisch, Mama wäre stolz auf mich gewesen. Ich hatte zwei ganze Ofenbleche gemacht, und wir hatten alles vertilgt, noch bevor Dan aufwachte. Pete leckte sich die Finger und sagte mir mit einem Seufzen, wie delikat es gewesen sei. Er erzählte mir, dass er im Kasino als Tischchef arbeitete und vorher zusammen mit Dan auf die Uni gegangen war. Er hatte sein Wirtschaftsstudium hingeschmissen, weil es ihn nicht wirklich interessiert und ihm sein Teilzeitjob als Croupier besser gefallen hatte. Damals war er auch zu Dan gezogen. Pete meinte, dass Dan ein netter Kerl sei, aber etwas zu viel trank, was die Sache ziemlich gut auf den Punkt brachte. Pete wollte in ein paar Monaten ausziehen, es war an der Zeit; er und Dan wohnten jetzt seit mehreren Jahren zusammen. Ich sah in seine grün gesprenkelten Augen, während er mit dieser leisen, überzeugenden Stimme sprach, und starrte auf seine schwarzen Wimpern. Wir saßen stundenlang da und aßen und redeten und sahen fern. Er versicherte mir, dass meine Tarte die beste Pastete sei, die er je gegessen hätte. In seiner Gegenwart fühlte ich mich ungezwungen wie im Kreise der Familie, wenn ich denn außer Mama jemals eine gehabt hätte. Und er wies mich darauf hin, dass ich seine Flipflops anhatte.
    Jetzt, so viele Jahre später, liegt Petes nackter Körper auf dem Bett ausgestreckt, seine schönen Augen sind geschlossen. Er ist ganz nah bei mir und doch so weit weg. Ich gehe allein in die Dusche. Als die Tränen endlich kommen, sind sie heiß und groß. Ich stehe unter dem Strahl und lasse das Wasser über meine Lider und meine Nase fließen und auf meine Brust spritzen. Plötzlich bin ich zu müde, um aufrecht stehen zu bleiben. Ich setze mich hin und ziehe die Knie an die Brüste. Ich stelle mir vor, wie Mama hereinkommt und mich so sieht. In welcher Stimmung sie auch wäre – und sie konnte in sehr düsterer Stimmung sein –, sie würde mir ein Handtuch geben. Mir sagen, dass ich aufstehen und mit ihr Toast essen soll. Sie würde den Kessel aufsetzen und eine Wärmflasche füllen und in einen braunen Wollbezug stecken. Sie würde Tee machen. Ich warte so lange, bis die Fliesen in der Duschkabine ein Muster auf meinem Rücken hinterlassen, doch niemand kommt, um mich in ein Handtuch zu wickeln; außer dem Geräusch fließenden Wassers ist nichts zu hören.

La Ville-Lumière – Stadt des Lichts
    Banane à la Pariser Crêpe mit einer Ganache aus Haselnussschokolade
    Nachdem Pete zur Arbeit gegangen ist, herrscht Frieden in der Wohnung, eine luftige, leichte Stille. Keine Fernsehnachrichten mehr, keine laufenden Wasserhähne, keine Schuhe, die auf den Holzdielen klacken. Ich habe den Kopf ein- oder zweimal vom Kissen gehoben, um mit ihm zu reden, während er sich fertig gemacht hat, doch wie üblich wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Er sucht seit Wochen das Gespräch mit mir, und ich habe mich im Bett verkrochen, um genau das zu vermeiden. Schließlich hat er aufgegeben. Ich riskiere es noch einmal, ein Auge zu öffnen. Das Sonnenlicht ist gleißend hell. Frühlingshaft hell. Ich seufze und öffne widerwillig das andere Auge, schiele und blinzle und stehe auf. Als ich am Fenster stehe, sehe ich Petes kleine Gestalt ins Büro gehen. Es muss wärmer geworden sein; er hat sich das Jackett über die Schulter geworfen, seine Aufmerksamkeit ist auf etwas in seiner Hand gerichtet. Das Handy, nehme ich an. Ich wünsche mir so sehr, dass er sich noch einmal umsieht, damit ich ihm zuwinken kann. Er blickt auf, und ich denke, dass er sich jetzt vielleicht umdreht, dass er irgendwie spürt, dass ich am Fenster stehe, die Hände auf den Rahmen gestützt. Doch er geht weiter.
    Die Sonne scheint durch die
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