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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus
Autoren: Julie Leuze
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von Birwain und Purlimil lernen kann. Immer vorausgesetzt natürlich, mein Antrag wird bewilligt.«
    »Für einige Jahre«, wiederholte Carl.
    »Ja.«
    Er schwieg.
    Leicht verunsichert fuhr Emma fort: »Wir könnten zusammen hier leben und forschen, du und ich. Ab und zu müssten wir das Lager natürlich verlassen, um Forschungsmaterial zu kaufen oder um die Berichte an die Kolonialregierung zu schicken.«
    »Und um Kleider zu kaufen?«, schlug Carl vor. »Oder möchtest du dich auch in diesem Punkt den Eingeborenen anpassen und in Zukunft nur noch eine Schnur um die Hüfte tragen?«
    »Carl!« Wider Willen musste Emma grinsen. »Natürlich werde ich weiterhin Kleider tragen! Du nimmst mich nicht ernst.«
    »Ich habe nie einen Menschen ernster genommen«, sagte er bestimmt. »Mir ist nur nicht klar, wie das gehen soll – jahrelang hierbleiben, einfach so.«
    »Wir müssen ein Gefühl für diesen Clan bekommen, Carl. Für die Menschen, ihre Heilungszeremonien, ihre Rituale, ihr Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Leben wir weiterhin abseits von den Eingeborenen und kommen nur hierher, um sie zu beobachten, dann nähern wir uns ihnen wie … wie Tieren oder wie exotischen Pflanzen. Nein, Carl, wir müssen ein Teil ihrer Gesellschaft werden, um sie wirklich zu verstehen. Aber das braucht Zeit. Viel Zeit.«
    Emma strich sich eine Strähne aus der Stirn. Vor Eifer war ihr richtig warm geworden.
    Langsam fragte Carl: »Du möchtest gar nicht mehr zurück nach Brisbane?«
    Entschlossen schüttelte sie den Kopf.
    »Du möchtest keine Pflanzen mehr zeichnen?«
    »Doch. Nebenher.«
    »Aha. Aber du möchtest keine weiteren Expeditionen in andere Regionen Australiens unternehmen?«
    »Nein.«
    »Und da du immer von ›uns‹ sprichst, nehme ich an, dass auch ich keine Expeditionen mehr unternehmen soll, die mich von dir wegführen? Wir sollen uns auf diesen Regenwald, diesen Clan beschränken, richtig?«
    Sie zögerte mit einer Antwort. Konnte sie das wirklich von ihm verlangen? Konnte sie ihm – dem renommierten Wissenschaftler Carl Scheerer – tatsächlich vorschreiben, was er von nun an erforschen sollte?
    Natürlich kann ich das nicht, fuhr es ihr durch den Kopf. Er erforscht das, was ihm interessant erscheint – genau wie ich.
    Emma sank der Mut.
    Als sie schwieg, sagte er mit gerunzelter Stirn: »Du stellst dir das so einfach vor. Man hat mich für Expeditionen angestellt, ich kann meinen Auftrag nicht einfach eigenmächtig umwandeln. Ich müsste mir das Einverständnis der Kolonialregierung holen, sonst fließt kein einziges Pfund mehr in meine Forschungen. Aber die Herren in Sydney davon zu überzeugen, dass die Medizinkenntnisse der Eingeborenen dermaßen viel wert sind …« Er seufzte. »Das Ganze nebenbei zu erforschen ist eine Sache. Aber alle anderen Forschungsbereiche dafür zu vernachlässigen – jahrelang! –, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Auf Dauer hier zu leben, alle übrigen Regionen Australiens für unbestimmte Zeit links liegen zu lassen, das durchzusetzen wird schwierig werden, Emma. Sowohl was deine Anstellung betrifft als auch meine. Das wird sehr schwierig werden.«
    Niedergeschlagen musste sie zugeben, dass er Recht hatte. Wahrscheinlich stellte sie sich alles viel zu einfach vor. Es war ein Traum.
    Ein Traum, der zu groß für sie war.
    Doch da verzog sich Carls Mund zu einem Lächeln. »Es wird schwierig. Aber vielleicht nicht unmöglich.«
    Ruckartig hob sie den Kopf und starrte ihn an. »Du meinst, du willst es probieren?«
    Er nickte, seine Augen blitzten. »Was wäre das Leben ohne neue Herausforderungen?«
    Mit einem Jubelschrei fiel sie ihm um den Hals. Und dann, fand sie, hatte er einen sehr langen Kuss verdient.
    Zu Pagel und Krüger ritt er an diesem Tag nicht mehr. Die beiden Forscher konnten warten. Emma und Carl hatten Wichtigeres zu tun – und weitaus Angenehmeres.

34
    M ai 1859
    I n den nächsten Wochen gab es eine Menge zu regeln, zu bedenken und vorzubereiten.
    Zuerst mussten sie natürlich Birwain fragen, ob sie überhaupt als Mitglieder auf längere Zeit willkommen waren. Doch sie hätten sich nicht zu sorgen brauchen: Der alte Schamane wirkte weder überrascht noch zögerlich.
    Zufrieden sagte er zu Emma: »Nun ist es also soweit. Ich bin glücklich, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast. Die Geister haben noch viel mit dir vor!«
    »Hoffentlich nur Gutes«, sagte Emma lächelnd. »Dann dürfen wir also bei euch bleiben und von euch lernen, wie
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