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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus
Autoren: Julie Leuze
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Freundin nickte, und Emma fuhr stockend fort. »Der Babygeist, von dem du damals gesprochen hast … du weißt schon, derjenige, der mit deinem zusammen irgendwo hier wartet … ist das wirklich derselbe wie der des Kindes, das ich verloren habe?« Sie schluckte. »Ist es also möglich, Purlimil, dass ich mein verlorenes Kind doch noch kennen lerne?«
    Purlimil ließ die teigverklebten Hände sinken. »Natürlich du lernst verlorene Kind kennen! Ich dir doch schon erklärt. Wartet auf dich, hier in Regenwald.«
    »Dasselbe Kind?«, vergewisserte sich Emma. »Auch wenn der Vater ein anderer wäre?«
    »Hat doch nichts mit Vater zu tun!«, sagte Purlimil mit nachsichtigem Tadel. »Wenn Babygeist zu dir kommen will, kommt Babygeist zu dir. So einfach. Du ganz beruhigt.«
    Emma lächelte. Genau das hatte sie hören wollen. Sie war sich zwar nicht sicher, ob sie Purlimil glaubte, doch allein die Möglichkeit, dass diese Recht haben könnte, fand sie ungeheuer tröstlich. Sie hatte das Gefühl, dem Tod ein Schnippchen geschlagen zu haben. Zumindest in diesem Fall.
    Im Plauderton fuhr Purlimil fort: »Vater nicht wichtig. Manche Babygeister kommen sogar ohne Mann, weißt du.«
    »Oh!« Das erschien Emma nun doch recht unwahrscheinlich. »Irrst du dich da nicht, Purlimil? Nach allem, was ich weiß, braucht man durchaus …«
    »Hier nicht«, schnitt Purlimil ihr das Wort ab. Ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu. »Ohne Mann, du bekommst Kind, das wir nennen Geistkind. Kein Problem.« Sie verzog den Mund zu einem spitzbübischen Grinsen. »Aber du lieber kein Geistkind. Carl guter, starker Mann. Kindmachen mit ihm bestimmt schön.«
    »Ähm … ja.« Emma wurde rot.
    Purlimil klopfte stolz auf ihren Bauch. »Yileen auch guter Mann. Mein Babygeist jetzt hier drin.«
    Es dauerte einen Moment, bis Emma begriff. »Du bist schwanger? Ach, Purlimil, wie wunderbar!«
    »Ja«, nickte die junge Frau. »Du auch bald Mutter, dann Kinder können zusammen spielen.«
    Sehnsüchtig stellte Emma sich die Szenerie vor. Sie, Carl und ein Baby, das inmitten der fröhlichen Kinder des Clans aufwachsen würde … Das war fast zu schön, um wahr werden zu können.
    In diesem Moment wurde Emma klar, wovon sie bei ihren Gedankenspielen ganz selbstverständlich ausging: dass sie im Regenwald blieb, bei Purlimil und ihrem Clan.
    Wollte sie der Zivilisation tatsächlich auf unabsehbare Zeit den Rücken kehren?
    Wie es schien, hatte sie diese Frage innerlich bereits beantwortet.
    Nach dem Frühstück – wider Erwarten war doch annehmbares Gebäck aus Emmas Mehlpampe geworden – zog Carl sie kurz beiseite.
    »Ich muss zurück ins Forschungslager, zu Pagel und Krüger«, sagte er.
    Ihm war deutlich anzusehen, dass er wenig Lust darauf verspürte. »Die beiden warten immer noch darauf, dass ich ihnen sage, wie es weitergeht. Und auf meine Standpauke warten sie auch noch.«
    Er grinste schief.
    Emma schmiegte sich in seine Arme. »Ach, Carl, ich würde das Lager am liebsten nie mehr betreten. Wenn ich Pagel und Krüger sehe, wird es mich bloß dazu drängen, ihnen gehörig die Meinung zu sagen; und wenn ich an mein Zeichenzimmer denke …«
    Sie biss sich auf die Lippen. Stets würde ihr wieder das grässliche Erlebnis mit Oskar vor Augen stehen, wenn sie in diesem Zimmer wäre.
    »Möchtest du vorerst hierbleiben? Ich kann heute auch alleine gehen«, sagte Carl und streichelte ihr zärtlich über den Rücken. »Oskar wird zwar inzwischen weg sein, aber es ist schon möglich, dass die Unterhaltung mit Krüger und Pagel unerfreulich wird.«
    »Carl …« Früher oder später musste sie es ihm sagen. Warum also nicht gleich jetzt? »Ich würde gerne hierbleiben, ja. Aber nicht vorerst. Sondern für lange Zeit.«
    Ihr Ton ließ ihn aufmerken. Er fasste sie bei den Schultern und schob sie ein kleines Stück von sich weg, damit er ihr in die Augen sehen konnte. »Wie meinst du das?«
    »Ich habe nachgedacht, Carl. Ich möchte die Eingeborenen nicht nur besuchen, sondern bei ihnen wohnen, ihren Alltag teilen. Ich bin der Meinung, dass ich ihr Heilsystem nur so wirklich begreifen kann. Es geht ja nicht nur um Husten und Schnupfen! Nimm mich als Beispiel: Ein Qualmfeuer hat meine Seele geheilt. Aber das versteht man nicht, wenn man es nicht erlebt; wenn man nicht ganz und gar in die Welt der Eingeborenen eintaucht.« Sie holte tief Luft. »Ich bin sicher, ich werde die Kolonialregierung mehr als zufriedenstellen, wenn ich für einige Jahre hierbleibe und direkt
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