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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
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von der Boston Street in London NW1, direkt neben der U-Bahn-Station Marylebone.
    »Wie viele sind es nun?«
    »Drei. Sobald die Abendausgaben herauskommen, hole ich uns eine.«
    Inez beobachtete durch das Schaufenster, wie hinter dem weißen Van ein Auto am Randstein anhielt. Der grelltürkisfarbene Jaguar gehörte Morton Phibling, der vormittags meistens nur aus einem einzigen Grund vorbeikam: um Zeinab zu treffen. Dabei benötigte er nicht einmal eine freie Parkuhr, denn im Wagen saß sein Chauffeur und wartete auf ihn. Falls eine Politesse auftauchte, würde er einfach eine Runde um den Block drehen. Mr. Khoury schüttelte den Kopf, wobei er mit der Rechten seinen üppigen Bart fest hielt, und begab sich nach drinnen.
    Morton Phibling stieg aus dem Jaguar, las, ohne eine Miene zu verziehen, den Zettel hinten an dem schmutzigen Van und rauschte mit wehendem Kamelhaarmantel in den Laden, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Noch nie hatte er irgendeinen Gruß hören lassen. »Wie ich sehe, wurde erneut eine junge Dame hingemeuchelt.«
    »Wenn Sie es so bezeichnen wollen.«
    »Ich kam herein, um meine Augen am Mond meines Entzückens zu weiden.«
    »Das tun Sie doch immer«, sagte Inez.
    Morton war leicht über sechzig und klein von Wuchs. Der Kopf auf seinem gedrungenen Körper musste schon immer viel zu groß gewirkt haben, es sei denn, Morton wäre kräftig geschrumpft. Er trug eine Brille, deren dunkelviolette Gläser fast an eine Sonnenbrille erinnerten. Eine Schönheit war er nicht und auch nicht, soweit Inez das beurteilen konnte, ungewöhnlich nett oder amüsant. Er war nur eines: stinkreich. Drei Häuser gehörten ihm und fünf weitere Autos, allesamt in grellen Sonderlackierungen: quietschgelb, orange, knallrot und limettengrün. Er war in Zeinab verliebt. Anders konnte man es nicht nennen.
    Zeinab, die gerade darin vertieft war, unten auf einen Wedgwood-Krug ein Preisschild zu kleben, schaute auf und schenkte ihm ein Lächeln, wie nur sie es konnte.
    »Wie geht es dir heute, mein Liebling?«
    »Ganz okay, aber nenn mich nicht immer Liebling.«
    »So sehe ich dich aber nun mal. Zeinab, Tag und Nacht denke ich an dich, das weißt du, in der Abenddämmerung und im Morgengrauen.«
    »Vergessen Sie einfach, dass ich da bin«, sagte Inez.
    »Ich schäme mich meiner Liebe nicht. Von den Dächern der Häuser verkündige ich sie. Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, die meine Seele liebet. Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her!« So salbaderte er stets vor sich hin, obwohl keine der beiden Frauen Notiz davon nahm. »Wie prächtig ist des Morgens die Lilie!«
    »Möchten Sie ’ne Tasse Tee?«, fragte Inez. Sie verspürte das dringende Bedürfnis nach einer zweiten Tasse, aber für sich allein hätte sie keinen mehr gemacht.
    »Ach, lassen Sie mal. Liebling, heute Abend führe ich dich zum Essen ins Le Caprice aus. Hoffentlich hast du das nicht vergessen.«
    »Natürlich habe ich’s nicht vergessen, und nenn mich nicht Liebling.«
    »Ich werde dich zu Hause abholen, ja? Ist dir neunzehn Uhr dreißig angenehm?«
    »Nein, das ist mir nicht angenehm. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass mein Paps durchdreht, wenn du mich daheim abholst! Du weißt doch, was er mit meiner Schwester gemacht hat. Willst du, dass er mich mit ’nem Messer absticht?«
    »Aber ich habe doch ehrenwerte Absichten, mein Herzensschatz. Ich bin nicht mehr verheiratet, ich will dich ehelichen, ich achte dich zutiefst.«
    »Das macht nichts – ich meine, das ändert nichts daran«, sagte Zeinab. »Ich darf einfach mit keinem Kerl allein sein. Niemals. Wenn mein Paps weiß, dass ich mit dir allein in einem Lokal war, geht er durch die Decke.«
    »Liebend gerne hätte ich dein reizendes Zuhause erblickt«, sagte Morton Phibling wehmütig. »Es wäre mir ein großes Vergnügen, dich in deiner wahren Umgebung zu sehen.« Obwohl Inez außer Hörweite war, dämpfte er seine Stimme. »Anstatt in diesem Loch. Wie ein prächtiger Schmetterling auf einem Misthaufen.«
    »Lässt sich nicht ändern. Ich sehe dich dann in diesem Le-Dingsbums.«
    Beim Gedanken an Zeinabs schrecklichen Vater zitterte Inez, während sie kochendes Wasser über drei Teebeutel goss. Ein Jahr vor Zeinabs Arbeitsantritt bei »Star Antiquitäten« hatte er ihre Schwester Nasreen beinahe umgebracht. Sie hatte sein Haus entehrt, weil sie in der Wohnung ihres Freundes übernachtet hatte. »Und dabei haben sie nicht mal was angestellt«, sagte Zeinab. Nasreen
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