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Der Doge, sein Henker und Ich

Der Doge, sein Henker und Ich

Titel: Der Doge, sein Henker und Ich
Autoren: Jason Dark
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es, wenn die Kittelschöße hinter ihm herschwangen und er beide Hände in den Hosentaschen vergrub. Dann kam er sich stets vor wie der große Chef. Und das war er auch, denn die Toten konnten nicht widersprechen. Den Fahrstuhl nahm er nur selten. Pietro hatte sich an die breiten Stufen der Treppe gewöhnt und auch an den Handlauf, an dem er sich bei seinem Gang in die Tiefe festhielt.
    Er hatte Licht gemacht. Die Leichenkammer lag unter der Erde. Manchmal wurde auch in der Nacht seziert, aber momentan lag kein eiliger Fall an, der untersucht werden mußte, so daß sich Pietro frei bewegen konnte. Er pfiff ein Liedchen und schritt durch den breiten Gang, bei dem links und rechts die Türen in kleinen Nischen lagen. Bis hin zur großen Doppeltür mußte er schreiten und wurde vom kalten, hellen Schein der Leuchtstofflampen begleitet, deren Licht sich auf dem dunklen Steinboden widerspiegelte.
    Der Metallring mit den daranhängenden Schlüsseln steckte in seiner rechten Seitentasche. Bei jedem Schritt klapperten die Schlüssel gegeneinander. Vor der breiten Tür blieb er stehen, griff in die Tasche und fand, ohne zu suchen, den richtigen Schlüssel. Es war der längste. Mit zielsicherem Griff schob er ihn in das Schloß, drehte ihn zweimal herum, dann war die Tür offen.
    Trotz ihrer Schwere konnte er sie leicht aufstoßen. Es genügte ein kurzer Druck mit der flachen Hand, und die eine Hälfte schwang langsam nach innen, als wäre sie von geisterhaften Händen aufgezogen worden. Im eigentlichen Kühlhaus war es kalt, und diese Kälte drang Pietro Lombardi auch entgegen.
    Er blieb auf der Schwelle stehen, sein Körper hob sich wie ein Denkmal ab, da er sich nicht rührte, in die Dunkelheit vor ihm schaute und plötzlich eine Gänsehaut bekam, wobei sich seine Haare im Nacken fast hochstellten.
    Er schüttelte sich, als hätte man Eiswasser über ihn ausgekippt. So etwas war ihm noch nie passiert. Lombardi dachte über dieses Gefühl nach, er wollte irgend etwas gedanklich erfassen, aber seine Sinne tasteten ins Leere.
    Da war nichts.
    Niemand hielt sich verborgen, er hörte kein Geräusch, kein Atmen, und trotzdem war es vorhanden.
    Vielleicht kam ihm die Kälte auch an diesem Tag besonders schlimm vor. Aber das konnte es auch nicht sein, in der Leichenkammer herrschten stets die gleichen Temperaturen.
    Pietro bewegte sich sehr langsam, als er die glatte Wand nach dem Lichtschalter abtastete. Er kickte ihn nach unten. Die Beleuchtung flackerte auf. Jemand hatte sie mal als gnadenlos bezeichnet. Vielleicht wegen ihrer kalten Helligkeit, die alles ausleuchtete.
    Es gab keine dunkle Stelle mehr, keinen Winkel, in den man sich hätte verkriechen können. Dafür glänzten die Schubfächer, in denen man die Leichen unterbrachte. Sie lagen übereinander, waren aber nicht hoch bis zur Decke gebaut. Das letzte Stück zeigte glatten Beton, der vom rötlichen Steinboden abstach.
    Pietro wußte genau, daß vier Laden belegt waren. Zwei Kinder befanden sich darunter, gestorben bei einem Verkehrsunfall, weil ein Autofahrer sich betrunken ans Steuer gesetzt hatte.
    Die Kinder waren tot, die Eltern hatten überlebt. Selbst Pietro schüttelte sich, als er daran dachte.
    Noch immer stand er auf der Schwelle und wunderte sich darüber. In seinem Innern existierte plötzlich eine Hemmschwelle, den eigentlichen Raum zu betreten.
    Die Gänsehaut wollte nicht weichen, und das lag nicht an der äußeren Kälte.
    Sehr langsam drehte er den Kopf nach rechts. Der Raum war länger als breit, er besaß auch zwei Türen. Durch eine gelangte man in den Seziersaal, wie er offiziell hieß.
    Nicht weit von dieser Tür entfernt standen die drei Bahren mit den drei Toten, die man aus dem Kanal gefischt hatte. Sie sollten noch einmal untersucht werden, weil man sich über bestimmte Merkmale ihres Ablebens informieren mußte.
    Jemand hatte Tücher über die Leichen gedeckt. Vom Kopf war ebensowenig etwas zu sehen wie von den Haaren. Unter dem Luftstrom der Klimaanlage flatterten die Laken, so daß es aussah, als würden die Toten darunter zittern.
    Aber wer einmal tot ist, der blieb auch tot. Und an Zombies glaubte Pietro nicht. So etwas verwies er in den Bereich der Fabel und des Films. Bei letzterem hatten sich vor allen Dingen seine Landsleute als Zombie-Spezialisten erwiesen und die schrecklichsten Streifen gedreht, die man sich vorstellen konnte.
    Pietro Lombardi räusperte seine Kehle frei, schluckte und betrat den Raum. Er ging sehr langsam und
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