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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis
Autoren: Richard Doetsch
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sie zu. Mit einem dumpfen Dröhnen fiel sie zu und sperrte Venue und diesen finsteren Teil der Welt für immer aus.
    Michael ergriff den Stab – den Caduceus oder Hermesstab –, um den sich die beiden Schlangen wanden und der in der Mitte der Tür steckte. Er zog so lange daran, bis er ihn in der Hand hielt. Als das Schloss einrastete, gab die Tür einen Laut von sich, der wie ein raues Fauchen klang. Dann wurde es totenstill. Ein letztes Mal schaute Michael auf die Tür, auf ihre abscheulichen Darstellungen des Todes und des Bösen, der Dämonen der Finsternis und des Leidens der Menschen, die in der Dunkelheit dahinvegetierten. Mit einem Mal begriff er, dass diese Darstellungen gar kein Verherrlichung des Bösen waren, sondern Warnungen, die sich auf das bezogen, was sich hinter der Tür verbarg.
    Michael hob die lederne Transportrolle vom Boden, die immer noch an der gleichen Stelle lag, an der Venue sie hatte liegen lassen, schob den Stab wieder hinein und schloss die innere Verriegelung und die Lederklappe. Dann nahm er KCs Hand. Beide stiegen die Treppe hinauf, die zum Mandala-Vestibül führte. Auf dem oberen Absatz wurden sie bereits erwartet: Busch zielte mit seinem Gewehr auf sie und war erleichtert, als er sah, dass sie keine Eindringlinge waren.
    »Gott sei Dank. Alles in Ordnung mit euch?«
    Beide nickten, obwohl sie noch nicht verarbeitet hatten, was alles geschehen war.
    »Venue?«, fragte Busch.
    Michael schüttelte bloß den Kopf.
    »Und was ist mit Iblis?«, fragte Busch, als sie den Korridor hinuntergingen.
    »Tot«, sagte KC nur.
    Michael wusste, dass sie in Gedanken bei ihrer Schwester war, an ihren Tod dachte und an die Leere, die er in ihr zurückließ. Michael verlangsamte seine Schritte, bis KC ihnen ein Stück voraus war, und wandte sich an Busch: »Hast du da hinten jemanden herauskommen sehen?« Er zeigte mit dem Finger in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    »Nein«, erwiderte Busch und legte verwirrt den Kopf zur Seite. »Über wen reden wir hier?«
    Michael schüttelte den Kopf. Er hatte gesehen, wie Iblis zu Boden gestürzt war, hatte die Schusswunde in seiner Brust gesehen, hatte mit angesehen, wie Venue ihm den siedenden Schlamm ins Gesicht gegossen hatte und wie Iblis’ Körper im Todeskampf gezuckt hatte.
    Doch als Michael sich vorhin umgedreht hatte, um die Kammer mit dem Gold und den uralten Schriften zu verlassen, nachdem er die Bücher und Pergamente in Brand gesetzt hatte, war keine Spur mehr von Iblis’ zu sehen gewesen.
    Iblis’ Leiche war verschwunden.
***
    Michael und KC drangen mit Busch in den Gang ein, in dem Kunchen und Sonam mit ihren Gewehren standen, die Tür bewachten und dafür sorgten, dass niemand hinein oder heraus kam. Sämtliche Mönche befanden sich im Raum hinter der Tür, konnten sich frei bewegen und waren nicht mehr gefesselt, hatten bisher aber nicht gehen dürfen.
    »Paul?« Michael schaute ihn mit fragendem Blick an.
    »Es ist jetzt alles in Ordnung«, erklärte Busch den beiden Sherpas, die daraufhin ihre Waffen niederlegten und in den Raum gingen.
    KC folgte ihnen. Ihr Blick fiel auf eine Gruppe von zehn Mönchen. Ihre Augen waren sanft und weise; sie schienen die ältesten der vierzig Männer zu sein. Drei knieten auf dem Fußboden, sieben standen.
    Als KC näher trat, machten sie ihr Platz. KC sah Cindy, die man auf Gebetsteppiche gebettet hatte. Um sie herum brannten zahllose Kerzen, und der Duft von Weihrauch strömte aus kleinen, ausgehöhlten Steinen und erfüllte die Luft mit Wohlgeruch.
    KC kauerte sich neben den Leichnam ihrer Schwester und brach in Tränen aus.
    Michael wollte sich zu ihr setzen.
    »Warte«, flüsterte Busch und hielt ihn zurück, indem er die Hand auf Michaels Brust legte.
    KC strich Cindy das kastanienbraune Haar aus dem Gesicht, das so unschuldig und kindlich rein wirkte. Sie lag da, unter einer Decke, und die Mönche knieten an ihrer Seite. Stille und Friede herrschten in dem Raum. Es war genau das Gegenteil von dem, was KC unten in der Höhle empfunden hatte. Es erfüllte sie mit einer Wärme und Gelassenheit, die sie nie zuvor empfunden hatte, mit Gefühlen, die eigentlich unvereinbar waren mit dem Tod eines geliebten Menschen.
    KC blickte in die besonnenen, alterslosen Gesichter der drei knienden Mönche. Die Männer waren der Inbegriff inneren Friedens. Sie erwiderten KCs Blick ohne jede Regung, sahen ihr nur lange und fest in die Augen und blickten dann wieder auf Cindy.
    Und als KC ihrem Blick folgte,
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