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Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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einen Blick auf alle anwesenden Herren geworfen hatte. Diese Furcht, die die Freude des kleinen Barons nur erhöhte, schien sich immer erst zu legen, wenn er seiner zitternden Gefährtin gesagt hatte: »Seien Sie unbesorgt, er ist nicht da.« So kamen sie in eine riesige Bildergalerie, die in einem Seitenflügel des Hauses lag, und wo man sich schon im voraus an den Anblick eines für 300 Personen angerichteten Büfetts laben konnte. Da das Essen beginnen sollte, zog Martial die Gräfin in ein ovales Boudoir, das nachdem Garten zu lag, und in welchem die seltensten Blumen und Gewächse eine duftende Laube unter prunkvollen blauen Vorhängen bildeten. Das Geräusch des Festes erstarb hier. – Die Gräfin zitterte beim Eintreten und weigerte sich hartnäckig, dem jungen Manne zu folgen. Als sie jedoch in einen Spiegel schaute und dort Zeugen erblickte, setzte sie sich ziemlich beruhigt auf eine Ottomane.
    »Dieses Zimmer ist entzückend,« sagte sie und bewunderte einen hellblauen Vorhang, der mit Perlenschnüren gehalten wurde.
    »Alles atmet hier Liebe und Wollust!« sagte der junge Mann tief ergriffen.
    Bei dem magischen Licht, das hier herrschte, betrachtete er die Gräfin und entdeckte in ihrem sanft bewegten Gesicht einen Ausdruck von Verwirrung, Scham und Verlangen, der ihn ganz entzückte. Die junge Frau lächelte, und dieses Lächeln schien dem Kampf der Gefühle in ihrem Herzen ein Ende zu setzen. Sie ergriff auf die bezauberndste Weise die linke Hand ihres Verehrers und zog ihm den Ring vom Finger, auf den ihre Augen sich geheftet halten.
    »Der schöne Diamant!« rief sie mit dem kindlichen Ausdruck eines jungen Mädchens aus, das den Reiz einer ersten Versuchung empfindet. Martial war von der unbeabsichtigten und doch so betörenden Liebkosung der Gräfin, mit der sie ihm den Ring vom Finger zog, ganz benommen; er blickte sie mit Augen an, die ebenso funkelten, wie der Diamant.
    »Tragen Sie ihn, zur Erinnerung an diese himmlische Stunde und aus Liebe zu...«
    Sie sah ihn so verzückt an, daß er den Satz nicht beendete, sondern ihr die Hand küßte.
    »Sie geben ihn mir?« fragte sie und sah erstaunt aus.
    »Ich würde Ihnen gern die ganze Welt zu Füßen legen.«
    »Sie scherzen wirklich nicht?« fuhr sie fort mit vor allzu lebhafter Befriedigung veränderter Stimme.
    »Werden Sie nur meinen Diamanten annehmen?«
    »Werden Sie ihn nie von mir zurückfordern?« fragte sie.
    »Niemals!«
    Sie steckte den Ring an ihren Finger. Martial, der schon auf ein nahes Glück rechnete, machte eine Bewegung, als wollte er der Gräfin seinen Arm um die Taille legen; sie aber erhob sich plötzlich und sagte mit klarer Stimme, ohne jede Erregung:
    »Mein Herr, ich nehme diesen Diamanten mit um so geringerem Bedenken an, als er mir gehört.«
    Der Finanzsekretär blieb sprachlos.
    »Herr von Soulanges nahm ihn kürzlich von meinem Toilettentisch und sagte mir dann, er hätte ihn verloren.«
    »Sie befinden sich in einem Irrtum, gnädige Frau,« sagte Martial gereizt, »ich erhielt diesen Ring von Frau von Vaudremont.«
    »Ganz recht,« erwiderte sie lachend. »Mein Mann hat sich diesen Ring von mir entliehen, er hat ihn ihr gegeben, und sie hat ihn Ihnen geschenkt. Mein Ring hat eine Rundreise gemacht, das ist alles. Dieser Ring wird mir vielleicht alles das sagen, was ich noch nicht weiß, er wird mich das Geheimnis lehren, immer zu gefallen. Mein Herr,« fuhr sie dann fort, »hätte der Ring nicht mir gehört, ich wäre nicht so kühn gewesen, das können Sie mir glauben; denn eine junge Frau soll sich, so sagt man, bei Ihnen Gefahren aussetzen. Aber sehen Sie,« fügte sie hinzu und ließ eine Feder, die unter dem Stein verborgen war, aufspringen, »hier innen ist noch die Haarlocke von Herrn von Soulanges.«
    Und damit entschlüpfte sie so schnell in die Säle, daß ein Versuch, sie einzuholen, vergeblich schien. Martial war ganz verdutzt. Seine Abenteuerlust war dahin.
    Das Lachen der Frau von Soulanges hatte übrigens ein Echo in dem kleinen Gemach gefunden; der junge Fant erblickte zwischen zwei hohen Blumenkübeln den Obristen und Frau von Vaudremont, die aus vollem Herzen lachten.
    »Willst du mein Pferd haben, um deiner Eroberung nachzujagen?« fragte der Obrist.
    Nur der guten Miene, mit der der Baron die Neckereien der Frau von Vaudremont und des Generals Montcornet ertrug, verdankte er es, daß sie über diesen Abend Stillschweigen bewahrten, an dem ihr beiderseitiger Freund sein Schlachtroß gegen eine
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