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Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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aber erst den zweiten Tanz. Während des ersten muß ich herausbekommen, was aus dieser Intrige wird, und wer die kleine blaue Dame ist, sie sieht sehr gescheit aus.«

Der Obrist, der merkte, daß Frau von Vaudremont allein sein wollte, entfernte sich, voller Befriedigung, den Anschlag so gut vorbereitet zu haben.
    Auf Festen trifft man immer Damen, die, gleich Frau von Lansac, damit beschäftigt sind, wie alte Seeleute vom Ufer des Meeres aus die jungen Matrosen zu beobachten, wie sie mit den Stürmen fertig werden. In diesem Augenblick konnte Frau von Lansac, die sich für die Personen dieses Dramas zu interessieren schien, leicht den Kampf erraten, dem die Gräfin von Vaudremont zum Opfer gefallen war. Die junge Schöne mochte sich noch so anmutig fächeln, den jungen Leuten, die sie grüßten, noch so liebenswürdig zulächeln und alle Listen anwenden, deren eine Frau sich bedient, wenn sie ihre Erregung verbergen will; diese Matrone, eine der gescheitesten und boshaftesten Herzoginnen, die das 18. Jahrhundert dem 19. hinterlassen hatte, vermochte trotzdem in ihrem Herzen und in ihren Gedanken zu lesen. Die alte Dame verstand die leiseste Bewegung, die die Regungen der Seele verrät. Die kleinste Falte, die jene weiße und reine Stirn furchte, das unmerkliche Zittern der Backenknochen, das Spiel der Augenbrauen, das geringste Erzittern der brennend roten Lippen, waren für die Herzogin wie Buchstaben in einem Buche. Die einstige Kokette saß in ihrem bequemen Lehnstuhl, den ihr Kleid ganz ausfüllte, und unterhielt sich mit einem Diplomaten, der ihren vortrefflich erzählten Anekdoten gern zuhörte, während sie sich selbst in der jungen Kokette bewunderte; sie gefiel ihr, wie sie so gut ihren Schmerz und den Kummer ihres Herzens zu verbergen verstand.
    Frau von Vaudremont war in der Tat ebenso unglücklich, wie sie heiter erschien: sie hatte geglaubt, in Martial einen Mann von Fähigkeiten gefunden zu haben, mit deren Hilfe sie ihr Leben durch alle Zauber der Macht verschönen würde. In diesem Augenblick erkannte sie einen Irrtum, der für ihren Ruf ebenso vernichtend war wie für ihre Eigenliebe. Bei ihr, wie bei den andern Frauen dieser Epoche, erhöhte die Plötzlichkeit der Leidenschaft ihre Intensität. Wer oft liebt und schnell, leidet nicht weniger als der, den eine einzige Leidenschaft verzehrt. Die Vorliebe der Gräfin für Martial war freilich erst von kurzer Dauer, aber jeder Chirurg weiß, daß die Amputation eines gesunden Gliedes viel schmerzhafter ist als die eines kranken. Frau von Vaudremonts Neigung für Martial hatte die besten Aussichten gehabt, während ihre vorhergehende Leidenschaft hoffnungslos gewesen war und durch Soulanges Gewissensqualen verbittert wurde. Die alte Herzogin erspähte den rechten Augenblick, um die Gräfin zu sprechen und beeilte sich, ihren Gesandten zu verabschieden; denn angesichts entzweiter Liebender verblaßt jedes andere Interesse, selbst bei einer alten Dame. Sie warf, um den Kampf herauszufordern, einen hämischen Blick auf Frau von Vaudremont, der die junge Kokette befürchten ließ, ihr Schicksal in den Händen der alten Witwe zu sehen. Frauen können einander Blicke zuwerfen wie Feuerbrände im letzten Akt eines Dramas. Man muß diese Herzogin gekannt haben, um das Entsetzen zu verstehen, das der Ausdruck ihres Gesichtes der Gräfin einflößte. Frau von Lansac war groß, ihre Züge besagten, daß sie einmal hübsch gewesen sein mußte. Sie legte so stark auf, daß ihre Runzeln kaum noch zu sehen waren; ihre Augen bekamen dadurch jedoch keinen unnatürlichen Glanz, sondern wurden nur um so matter. Sie trug viele Diamanten und zog sich geschmackvoll genug an, um nicht lächerlich zu wirken. Ihre spitze Nase verriet scharfen Witz. Ein gut gearbeitetes Gebiß erhielt dem Mund einen Zug von Ironie, der an Voltaire erinnerte. Doch milderte die ausgesuchte Höflichkeit ihres Auftretens das Boshafte ihres Charakters, und man konnte ihr keine direkte Schlechtigkeit nachsagen. Die grauen Augen der alten Dame belebten sich, ein triumphierender Blick, von einem Lächeln begleitet, das sagte: »ich hatte es dir verheißen!« durchquerte den Saal und rief das Rot der Hoffnung auf den bleichen Wangen der jungen Frau hervor, die am Fuße des Kandelabers seufzte. Diese Verbindung zwischen Frau von Lansac und der Unbekannten konnte dem geübten Auge der Gräfin von Vaudremont nicht entgehen, und sie ahnte ein Geheimnis, das sie ergründen wollte.
    In diesem Augenblick
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