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Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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hatte, selbst die der Gleichgültigsten, wollte er sich gerade entschließen, einen Augenblick, an dem die Gräfin von Gondreville frei schien, zu benutzen, um sie selbst nach dem Namen der geheimnisvollen Dame zu fragen, als er plötzlich einen leeren Raum zwischen der zerbrochenen Säule, die den Kandelaber trug, und den daneben stehenden Sesseln bemerkte. Der Obrist benutzte den Augenblick, wo der Tanz einen großen Teil der Stühle frei ließ, die, gleich Festungslinien, von den Müttern und den älteren Damen verteidigt wurden, und unternahm es, diese mit Schals und Tüchern bedeckte Schanze zu überschreiten. Er sagte den Matronen Liebenswürdigkeiten; und von einer Dame zur andern, von einer Höflichkeit zur andern gelangte er auf den leeren Platz neben der Unbekannten. Auf die Gefahr hin, an den Greifen, und Fabeltieren des riesigen Kandelabers anzuhaken, blieb er dort unter dem Glanz und dem Wachs der Kerzen stehen, zum großen Ärger Martials.
    Er war ein zu gewandter Gesellschafter, als daß er die kleine blaue Dame, die rechts von ihm saß, so unvermittelt angesprochen hätte; er wandte sich daher zunächst an eine ziemlich Häßliche zu seiner Linken und begann:
    »Ein sehr schöner Ball, nicht wahr, gnädige Frau? Welch ein Luxus, welch eine Bewegung! Auf Ehre, hier gibt es nur hübsche Frauen; und wenn Sie, meine Gnädige, nicht tanzen, so hatten Sie sicher keine Lust dazu?«
    Das Anknüpfen dieser abgeschmackten Unterhaltung hatte den Zweck, seine Nachbarin zur Rechten zum Sprechen zu bringen, die ihm jedoch – schweigsam und innerlich beschäftigt, wie sie war – nicht die leiseste Aufmerksamkeit schenkte. Der Offizier hatte noch eine ganze Reihe von Phrasen bereit, die zum Schluß mit der Frage endigen sollten: »und Sie, gnädige Frau?«, von der er sich sehr viel versprach. Aber ein sonderbares Erstaunen ergriff ihn, als er ein paar Tränen in den Augen der Unbekannten erblickte, die ganz von Frau von Vaudremont gefangen genommen schien.
    »Gnädige Frau sind gewiß verheiratet?« fragte der Obrist endlich mit unsicherer Stimme.
    »Ja, mein Herr,« antwortete die Unbekannte.
    »Ihr Herr Gemahl ist sicher auch zugegen?«
    »Ja, mein Herr.« »Und warum bleiben Sie an diesem Platz hier, gnädige Frau? Sicherlich aus Koketterie.«
    Die Bekümmerte lächelte traurig.
    »Gestatten Sie mir, gnädige Frau, daß ich Sie zum nächsten Tanz auffordere; ich werde Sie dann bestimmt nicht wieder hierher zurückführen. Ich sehe neben dem Kamin noch eine leere Ottomane, kommen Sie dorthin. Wo so viele herrschen wollen und die Ausgelassenheit das Zepter führt, sehe ich nicht ein, warum Sie sich weigern sollten, die Königin des Balles zu werden, wozu Ihre Schönheit Ihnen ein Anrecht gibt.«
    »Mein Herr, ich tanze nicht.«
    Der kurze Ton in den Antworten dieser Frau war so hoffnungslos, daß der Obrist seinen Platz aufgeben mußte. Martial, der die letzte Frage des Obristen und den Korb, den dieser bekam, erraten hatte, lächelte und strich sich über das Kinn, wobei er den Ring, den er am Finger trug, blitzen ließ.
    »Worüber lachen Sie?« fragte ihn die Gräfin von Vaudremont.
    »Über den Mißerfolg des armen Obristen, er hat einen Metzgergang gemacht.«
    »Ich hatte Sie gebeten, Ihren Ring abzuziehen,« unterbrach ihn die Gräfin.
    »Das habe ich nicht gehört.«
    »Wenn Sie heute abend auch nichts hören, Herr Baron, so scheinen Sie dafür um so mehr zu sehen,« antwortete Frau von Vaudremont etwas verletzt.
    In diesem Augenblick sagte die Unbekannte zum Obristen: »Dort ist ein junger Mann, der einen sehr schönen Diamanten trägt.«
    »Ja, wundervoll ist der Stein,« antwortete Montcornet. »Der junge Mann ist der Baron Martial de la Roche-Hugon, einer meiner intimsten Freunde.«
    »Ich danke Ihnen, daß Sie mir seinen Namen genannt haben,« erwiderte sie; »der Herr scheint sehr liebenswürdig zu sein.«
    »Das wohl, aber ein bißchen leichtsinnig.«
    »Man könnte fast annehmen, daß er der Gräfin von Vaudremont sehr nahe steht,« fuhr die junge Dame fort und sah den Obristen dabei prüfend an.
    »Überaus nahe.«
    Der Unbekannte erbleichte.
    ›So scheint sie diesen Teufel von Martial zu lieben,‹ dachte der General.
    »Ich glaubte Frau von Vaudremont seit langem mit dem Grafen von Soulanges liiert,« nahm die junge Frau wieder das Wort, von dem inneren Schmerz, der den Ausdruck ihres Gesichtes ganz verändert hatte, wieder etwas erholt.
    »Seit acht Tagen hintergeht ihn die Gräfin,«
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