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Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Obrist den Ring des Sekretärs betrachtete. »Höre, Martial,« nahm der Obrist wieder das Wort, »wenn du um meine junge Unbekannte herumflatterst, werde ich mich an die Eroberung von Frau von Vaudremont machen.«
    »Das sei Ihnen gestattet, lieber Kürassier, aber Sie werden nicht so viel erreichen,« sagte der junge Finanzsekretär, indem er den wohlgepflegten Nagel seines Daumens unter einen seiner oberen Vorderzähne legte, von wo er ihn mit einem lustigen Geräusch fortschnellte.
    »Bedenke, daß ich Junggeselle bin,« sagte der Obrist, »daß der Säbel mein ganzer Reichtum ist und daß mich so herausfordern bedeutet, Tantalus vor ein Festmahl setzen, das er verschlingen wird!«
    »Brrrr!«
    Diese spöttische Anhäufung von Konsonanten diente als Antwort auf die Herausforderung des Generals, den sein Freund vergnüglich von oben bis unten maß, ehe er ihn verließ.

Der Mode jener Zeit entsprechend mußte ein Mann auf einem Ball ein paar Kniehosen aus weißem Kaschmir tragen und seidene Strümpfe. Dieser hübsche Anzug ließ die vollendeten Formen Montcornets gut zur Geltung kommen. Er war damals 35 Jahre alt und zog alle Blicke durch die hohe Gestalt auf sich, wie sie ein Kürassier der kaiserlichen Garde haben mußte. Seine stattliche Erscheinung, die, trotz einer gewissen Fülle, die er vom Reiten bekommen hatte, noch recht jugendlich wirkte, wurde durch die schöne Uniform noch gehoben. Der schwarze Schnurrbart erhöhte den offenen Ausdruck seines echt militärischen Gesichts, dessen Stirn breit und offen, dessen Nase gebogen und dessen Mund üppig rot war. Montcornets Auftreten – Ausdruck einer gewissen Vornehmheit, die er seiner Gewohnheit: Befehle zu erteilen, verdankte – konnte einer Frau wohl gefallen, wenn sie nur klug genug war, keinen Sklaven aus ihrem künftigen Gatten machen zu wollen. – Der Obrist lächelte, als er den Finanzsekretär betrachtete, einen seiner besten Schulkameraden, dessen kleine schlanke Figur ihn zwang, den freundschaftlichen Blick als Antwort auf diesen Spott etwas nach unten zu richten. Der Baron Martial de la Roche-Hugon war ein junger Provenzale, den Napoleon protegierte und der zu irgendeinem glänzenden Gesandtschaftsposten ausersehen schien. Er hatte es dem Kaiser durch seine italienische Liebenswürdigkeit angetan, durch seine Begabung für Intrigen, durch die gesellschaftliche Beredtsamkeit und gewandtes Auftreten, das so leicht als Ersatz genommen wird für die bedeutenden Gaben eines soliden Mannes. Obgleich lebhaft und jung, besaß sein Gesicht doch jenen unbeweglichen Ausdruck, der einer der unerläßlichen Eigenschaften des Diplomaten ist und der es ihm ermöglicht, seine Erregungen zu verbergen, seine Gefühle zu verhüllen, wenn dieser Gleichmut nicht am Ende das Fehlen jeder Erregung und den Mangel jeden Gefühls bedeutet! Das Herz der Diplomaten ist ein unergründliches Rätsel, haben sich doch die drei bedeutendsten Gesandten jener Zeit sowohl durch Ausdauer im Haß als auch durch romantische Neigungen ausgezeichnet. – Martial jedoch gehörte zu der Menschenklasse, die fähig ist, mitten im leidenschaftlichsten Genuß ihre Zukunft zu berechnen; er hatte die Welt schon durchschaut und verbarg seinen Ehrgeiz unter der Selbstzufriedenheit des Glücksritters und seine Talente unter scheinbarer Mittelmäßigkeit, denn er hatte erkannt, wie schnell die Leute vorwärts kamen, die den Meister am wenigsten in den Schatten stellten.
    Die beiden Freunde mußten sich trennen und schüttelten einander herzlich die Hand. Die Musik, die den Damen einen neuen Tanz ankündigte, zu dem sie sich aufstellen mußten, vertrieb die beiden Herren von dem Platze, auf dem sie mitten im Salon geplaudert hatten. Diese eilige, zwischen zwei Tänzen stattfindende Unterhaltung wurde vor dem Kamin des großen Salons im Hotel de Gondreville geführt. Die Fragen und Antworten dieses Geplauders wurden, wie es auf Bällen so üblich ist, von jedem der beiden Sprecher dem Nachbarn ins Ohr geflüstert. Doch die Armleuchter und Kerzen auf dem Kamin warfen ihr grelles Licht derart auf die beiden Freunde, daß ihre allzu hell beschienenen Gesichter trotz ihrer diplomatischen Beherrschtheit weder der klugen Gräfin noch der arglosen Unbekannten den nicht mißzuverstehenden Ausdruck ihrer Gefühle verbergen konnten. Dieses Auskundschaften der Gedanken ist für den Unbeteiligten vielleicht ein Vergnügen, das die Gesellschaft ihm bietet. Manch betrogener Dummkopf jedoch muß sich langweilen,
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