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Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Titel: Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)
Autoren: Avery Williams
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Prolog
    London, 1349
    I ch fühle mich, als hätte ich mein ganzes Leben lang auf den Maskenball gewartet. Mit meinen vierzehn Jahren bin ich nun im heiratsfähigen Alter und darf endlich daran teilnehmen. Das Licht der Fackeln zuckt über die Sandsteinfassade von Lord Suffits Palast an der Themse, und die in mein Haar eingeflochtenen Rosen duften berauschend und süß. Rasch ziehe ich mir die Maske übers Gesicht, bevor ich den großen Türbogen durchschreite.
    Da erblicke ich mich in einem Spiegel.
    Ich trage ein weißes Kleid mit hoch angesetzter Taille, das wie Wasser an mir herabfließt und in das goldene Fäden an den Nähten eingearbeitet sind. Die Ärmel liegen eng an den Oberarmen an und laufen ab den Ellbogen breit aus, wie zwei Schwingen. Die goldene Maske in der Form eines Schmetterlings ist mit Kristallen und Glasperlen besetzt. Ihre Spitzen zeigen in Richtung des silbernen Netzes, das den dicken Haarknoten an meinem Hinterkopf zusammenhält.
    Für einen Moment verwirrt mich die Maske. Bin das wirklich ich im Spiegel? Zögernd hebe ich eine Hand an die Wange, und das Mädchen mir gegenüber tut es mir gleich.
    Beruhigt drehe ich mich um und folge meinen Eltern und den Klängen der Leiern und Lauten, der Tamburine und Trommeln bis zum Ballsaal. In der Tür bleibe ich stehen und betrachte die maskierten Tänzer: Frauen in Gewändern aus Samt und Seide, die sanft über den Boden streifen, während sie sich im Kreis drehen, Männer, die einen Kreis um sie herum bilden, das Licht der Kerzenleuchter, das sich an ihrem Kopfputz bricht. Obwohl ich mein ganzes Leben in London verbracht habe, erkenne ich niemanden.
    Ich merke, wie jemand neben mich tritt, und drehe mich um. Ein junger Mann, ganz in Schwarz gekleidet, mit weißblondem Haar und einer roten Maske steht neben mir. Er bietet mir einen Kelch mit Granatapfelwein an, und als ich einen Schluck davon nehme, spüre ich die brennende Süße in meiner Kehle.
    »Ihr solltet tanzen«, sagt er.
    »Aber ich erkenne niemanden«, erwidere ich, wobei ich mich frage, ob ich ihn vielleicht kenne.
    »Das ist der Sinn der Sache«, antwortet er, die blauen Augen lebhaft hinter der scharlachroten Maske. »Die Verkleidung soll uns die Freiheit geben, all jene Dinge zu tun, die wir unter normalen Umständen nicht tun würden, etwa für eine Nacht in die Rolle eines vollkommen anderen Menschen zu schlüpfen.«
    Ich mustere ihn. »Kennen wir uns?«
    Lachend wirft er den Kopf zurück. »Ich denke nicht. An Euch würde ich mich erinnern, da bin ich mir sicher. Aber vielleicht sind wir uns schon mal begegnet. Wir werden es niemals erfahren.« Er bietet mir seinen Arm und führt mich auf die Tanzfläche.
    Nur für kurze Zeit sind wir Partner, bis wir im Formationstanz getrennt werden. Mehr als nur einmal sehe ich in seine Richtung, und jedes Mal begegnet er meinem Blick, folgt mir mit diesen lebhaften blauen Augen durch den Raum. Ich bin überaus dankbar für die Maske, als ich spüre, wie mir eine vertraute Wärme in die Wangen steigt. Doch am Ende des Stückes ist er verschwunden.
    Allein schlendere ich durch die Menge, erhitzt und leicht benommen. Der Wein, der Tanz, das Gedränge – es ist einfach zu viel. Ich folge den Fackeln einen steinernen Korridor entlang durch einen Hof bis in den Garten, wo ein Zauberer eine Menschenmenge unterhält. Verzückt sehe ich zu, wie er eine Taube aus der Luft zaubert und den Vogel dann über seinem Kopf freilässt.
    »Er ist ein Scharlatan«, sagt plötzlich jemand hinter mir.
    Ich wirbele herum und sehe mich dem Mann mit der scharlachroten Maske gegenüber. »Es ist wunderbar«, rufe ich aus. »Er hat einen Vogel herbeigezaubert!«
    »Das hat er nicht getan, er hat die Zuschauer nur hinters Licht geführt. Aber«, er streckt die Hand aus, »wenn Ihr Euch mir anschließen wollt, werde ich Euch etwas zeigen, das wirklich verzaubert.«
    Fasziniert nehme ich seine Hand und lasse mich von ihm von der Menge wegführen. Als wir die Tore des Anwesens erreichen, zögere ich.
    »Ich sollte nicht von hier weggehen. Meine Eltern werden sich Sorgen machen.«
    »Es ist gleich da drüben, auf der Straße«, verspricht er mir, also folge ich ihm widerstrebend um eine Ecke und gehe mit ihm auf einen Garten voller Rosensträucher gegenüber der Themse zu. Ich kann ihren süßen Duft riechen, der sich mit dem Geruch der Fackeln vermischt. Neben einer Steinbank bleiben wir stehen, und er lässt meine Hand los. »Darf ich?«, fragt er.
    Ich bin mir nicht
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