Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
weil ich erst vor einem Monat in dies gelobte Land gekommen bin? Ihr seid unverschämt, ihr Verwaltungsbeamte, die ihr auf euren Stühlen sitzt, während wir im Granatfeuer stehen! Geh, mein Herr Finanzsekretär, laßt uns die Ähren auf dem Felde auflesen, dessen unsicherer Besitz euch erst dann bleibt, wenn wir es geräumt haben. Zum Teufel auch, ein jeder muß leben! Würdest du die deutschen Frauen kennen, ich glaube, du würdest ein gutes Wort für mich einlegen bei der Pariserin, die du liebst.« »General, da Sie diese Frau, die ich hier zum erstenmal erblicke, schon den ganzen Abend zu beobachten scheinen, so haben Sie, bitte, die Güte mir zu sagen, ob Sie sie schon haben tanzen sehen.« »Oh, mein lieber Martial, wo kommst du her? Wenn man dich mit einer diplomatischen Mission betraute, ich prophezeite dir keinen Erfolg! Siehst du denn nicht drei Reihen der unerschrockensten Pariser Koketten zwischen ihr und dem Schwarm von Tänzern, der unter dem Kronleuchter herumsummt, und mußtest du nicht erst dein Lorgnon zu Hilfe nehmen, um sie überhaupt in der Ecke bei jener Säule zu entdecken, wo sie, trotz der Lichter, die über ihrem Haupte erstrahlen, wie im Dunkel begraben zu sein scheint? Zwischen ihr und uns blitzen so viele Diamanten und so viele Blicke, wehen so viele Federn, wogen so viele Spitzen, Blumen und Besätze, daß es ein wahres Wunder wäre, wenn ein Tänzer sie inmitten dieser Gestirne bemerken würde. Wie, Martial, erkennst du in ihr nicht die Frau irgendeines Unterpräfekten aus den Departements von Lippe oder Dyle, die hier versucht, ihren Gatten zum Präfekten zu machen?«
    »Das soll er werden!« sagte der Finanzsekretär lebhaft.
    »Das bezweifle ich noch,« erwiderte der Kürassierobrist lächelnd. »Sie scheint mir in der Intrige ein ebensolcher Neuling zu sein wie du in der Diplomatie. Ich wette, Martial, du weißt nicht einmal, wie sie dort hinten hingekommen ist.«
    Der junge Sekretär betrachtete den Gardeobristen mit einer Miene, die sowohl Verachtung als auch Neugier verriet.
    »Nun,« fuhr Montcornet fort, »sie ist sicherlich pünktlich um 9 Uhr gekommen, als erste vielleicht und wird die Gräfin von Gondreville, die nicht zwei Gedanken aneinanderreihen kann, in die größte Verlegenheit versetzt haben. Von der Dame des Hauses links liegen gelassen, von jeder neu Angekommenen von einem Stuhl zum andern bis in das Dunkel jener Ecke rückwärts gedrängt, wird sie sich dort haben einschließen lassen, ein Opfer der Eifersucht dieser Damen, die nichts sehnlicher wünschen, als dieses ihnen gefährliche Gesicht auf solche Art unschädlich zu machen. Sie wird keinen Freund gehabt haben, der ihr Mut gemacht hätte, den Platz zu verteidigen, den sie anfangs eingenommen haben muß, und jede dieser perfiden Tänzerinnen wird den Herren ihrer Bekanntschaft unter Androhung der fürchterlichsten Strafen den Befehl gegeben haben, unsere arme Freundin nicht aufzufordern. So haben sich diese harmlos und unbefangen erscheinenden Gesichter gegen die Unbekannte verbündet; und dabei mag keine von diesen Frauen dort unten etwas anderes gesagt haben, als nur: ›Kennen Sie diese kleine blaue Dame?‹ Höre, Martial, willst du in einer Viertelstunde mehr verführerische Blicke auf dich lenken und von mehr herausfordernden Fragen überschüttet werden, als dir in deinem ganzen Leben vielleicht je zuteil geworden, so versuche, den dreifachen Wall, der die Königin von Dyle, Lippe oder Charente verteidigt, zu durchdringen. Du wirst sehen, wie die dümmste dieser Frauen sogleich eine List erfindet, die den entschlossensten Mann verhindert, unsere bedauernswerte Unbekannte ans Licht zu ziehen. – Findest du nicht, daß sie etwas elegisch aussieht?«
    »Glauben Sie, Montcornet? So wäre sie also eine verheiratete Frau?«
    »Warum sollte sie nicht auch Witwe sein?«
    »Dann wäre sie herausfordernder,« meinte der Finanzsekretär lachend.
    »Vielleicht ist sie eine jener Witwen, deren Gatten beim Hazardspiel sitzen,« entgegnete der schöne Kürassier.
    »Seit dem Frieden gibt es tatsächlich viele solcher Witwen,« erwiderte Martial. »Aber, mein lieber Montcornet, was sind wir doch für zwei Einfaltspinsel! Dieses Haupt drückt noch zu viel Unbefangenheit aus, es liegt noch zu viel Jugend und Herbheit auf dieser Stirn und um diese Schläfen, als daß es eine verheiratete Frau sein könnte. Welch ein gesunder Teint! Nichts ist welk an den Linien um die Nase. Die Lippen, das Kinn, alles an diesem Gesicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher