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Der Diamant (German Edition)

Der Diamant (German Edition)

Titel: Der Diamant (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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südliches Blut erhitzte sich; er wollte sprechen, seine Worte erschienen ihm banal im Vergleich zu den feinen und geistreichen Antworten der Gräfin von Soulanges. Es war daher ein Glück für ihn, daß der Tanz begann. Als er neben seiner schönen Tänzerin stand, fühlte er sich erleichtert. Für viele Männer ist der Tanz eine Art, sich zu geben; sie glauben, wenn sie die Anmut ihres Körpers entfalten, viel stärker auf die Herzen der Frauen zu wirken, als durch ihren Geist. Der Provenzale wollte in diesem Augenblick gewiß alle seine Verführungskünste spielen lassen, nach der Anmaßung seiner Bewegungen und Gesten zu schließen. Er hatte seine Beute in die Quadrille geführt, in der die schönsten Frauen des Festes es sich in den Kopf gesetzt hatten, besser zu tanzen als alle übrigen. Als das Orchester das Vorspiel für die erste Figur anstimmte, empfand der Baron eine unbeschreibliche Befriedigung seines Ehrgeizes; denn als er die Tänzerinnen, die in diesem gefürchteten Karree standen, betrachtete, bemerkte er, daß die Toilette der Frau von Soulanges selbst diejenige der Frau von Vaudremont ausstach, die – vielleicht absichtlich – mit dem Obristen dem Baron und der blauen Dame gegenüberstand. Die Blicke aller hefteten sich einen Augenblick auf Frau von Soulanges; ein schmeichelhaftes Geflüster ließ erkennen, daß sie der Gegenstand der Unterhaltung zwischen jedem Tänzer und seiner Dame war. Die junge Frau war so vielen neidischen und bewundernden Blicken ausgesetzt, daß sie – verwirrt über einen Triumph, dem sie sich hatte entziehen wollen – bescheiden die Augen senkte, errötete und dadurch nur noch entzückender wurde. Wenn sie ihre bleichen Augenlider aufschlug, war es nur, um ihren berauschten Tänzer anzusehen, wie um ihm den Ruhm dieser Huldigungen zurückzugeben, ihm zu sagen, daß sie die seinen allen anderen vorziehe. Sie legte Unschuld in ihre Koketterie, oder vielmehr, sie schien sich der naiven Bewunderung hinzugeben, mit der die Liebe junger Herzen vertrauensvoll beginnt. Als sie tanzte, konnten die Zuschauer leicht glauben, sie entfalte ihre Reize nur für Martial; und obgleich sie zurückhaltend war und ein Neuling in den Gewohnheiten des Salons, verstand sie es doch, wie die gescheiteste Kokette, zur rechten Zeit die Augen auf ihn zu richten, um sie mit geheuchelter Bescheidenheit wieder zu senken. Als bei den neuen Touren der vom Tänzer Trenis erfundenen und nach ihm benannten Quadrille Martial einmal dem Obrist allein gegenüberstand, sagte er lächelnd zu ihm:
    »Ich habe dein Pferd gewonnen.«
    »Ja, aber du hast 40 000 Franken Rente verloren,« erwiderte der Obrist und zeigte auf Frau von Vaudremont.
    »Ach, was macht mir das! Frau von Soulanges ist Millionen wert.«
    Am Schlüsse dieses Tanzes klang an allen Ohren Geflüster. Die wenigst schönen Frauen entrüsteten sich vor ihren Tänzern über das entstehende Verhältnis zwischen Martial und der Gräfin von Soulanges. Die schönsten waren über eine solche Leichtfertigkeit erstaunt. Die Männer begriffen das Glück des jungen Sekretärs, an dem sie nichts Verführerisches fanden, nicht. Einige nachsichtige Frauen meinten, man dürfe die Gräfin nicht zu übereilt beurteilen: die Jugend wäre recht unglücklich daran, wenn ein beredter Blick oder ein anmutig ausgeführter Pas schon genügen sollte, eine Frau zu kompromittieren. Nur Martial war sich der ganzen Tragweite seines Glückes bewußt. Als beim letzten Moulinet der Damen seine Finger diejenigen der Gräfin drückten, glaubte er durch das feine und parfümierte Leder der Handschuhe hindurch zu fühlen, wie die Finger der jungen Frau seinen warmen Druck erwiderten.
    »Gnädige Frau«, sagte er zu ihr, als der Tanz zu Ende war, »kehren Sie nicht in jene abscheuliche Ecke zurück, in der Sie bisher Ihr Gesicht und Ihre Toilette vergraben haben. Ist Bewunderung das einzige, was Ihnen die Diamanten, die Ihren so weißen Hals und Ihre so schön geschlungenen Haare schmücken, einbringen? Kommen Sie ein wenig durch die Säle, damit Sie das Fest und sich selber genießen.«
    Frau von Soulanges folgte ihrem Verführer, der glaubte, daß sie ihm um so sicherer gehören würde, wenn er sie erst kompromittiert hätte. So gingen sie beide mehrmals durch die Gruppen, die die Säle des Hauses füllten. Die Gräfin von Soulanges blieb jedesmal, ehe sie in einen neuen Saal trat, ängstlich einen Augenblick stehen und ging erst dann hindurch, wenn sie mit vorgestrecktem Hals
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