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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
Autoren: Bastian Sick
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hergibt. Es ist wie mit den Brandzeichen bei Rindern: Keine Gruppierung,
    Absplitterung, Vereinigung oder Bewegung, die ohne Farbmarkierung frei herumlaufen dürfte. Da entstünde ja das völlige Chaos, und niemand würde sich mehr zurechtfinden.

    Farben schaffen Klarheit. Sie sind
    Erkennungszeichen, Signal und Synonym. Die
    Kommunisten haben den Anfang gemacht, sie wählten die Farbe Rot, weil die so schön kämpferisch und leidenschaftlich wirkt, die Konservativen wurden schwarz, weil dies die Farbe der Kirche war, die Ökos tarnten sich mit dem Grün des Waldes, und wer von den Liberalen spricht, hat meistens die Farbe Gelb im Kopf.
    Diese ist schön grell und knallig, historisch betrachtet aber nicht eben positiv besetzt: Gelb galt lange Zeit als
    »Schandfarbe« und wurde Juden, Dirnen und Ketzern aufgezwungen. Vielleicht haben die Liberalen das Gelb aber auch von den Kirgisen, denn bei denen ist es die Farbe der Trauer und der Gedankenversunkenheit. Und traurig war in den letzten Jahren schließlich so manches Wahlergebnis der Liberalen, was genügend Grund zu Grübeleien gab. Doch außerhalb Deutschlands sind Liberale oft alles andere als gelb - nämlich blau. So zum Beispiel in den Niederlanden und in Belgien. Darum trägt die FDP zusätzlich zur Farbe Gelb auch noch Blau, gewissermaßen als Untertitel, damit sie auch im Ausland verstanden wird.

    In Belgien haben im Mai 2003 die Liberalen und die Sozialdemokraten die Parlamentswahlen gewonnen.
    Prompt schrieb ein deutscher Redakteur von einem
    »Wahlsieg für Gelb-Rot«. Nur sind die belgischen Liberalen eben nicht gelb, sondern blau, aber wer könnte sich hier zu Lande auch schon etwas unter einer blau-roten Koalition vorstellen? Vielleicht ist der schnelle Griff zum Farbtopf doch nicht immer ganz so
    empfehlenswert. Wer die Parteienlandschaft unserer westlichen Nachbarn mit Hilfe von Farben erklären will, muss sich nämlich in der Farbenlehre auskennen.

    Wim Kok, von 1994 bis 2002 Ministerpräsident der Niederlande, führte eine sozialliberale Koalition an. Die Niederländer nannten sie aber nicht rot-blau, sondern mischten die beiden Farben kurzerhand zusammen. Und Rot und Blau ergibt? Richtig: Violett. So wurde Koks Kabinett »Paars« genannt, das niederländische Wort für Violett.

    Vor der Wahl hatten die Belgier sogar eine
    Dreierfarbkombi aus Blau, Rot und Grün, verkürzt
    »Paars-Groen«, »Lila-Grün«, genannt. Wieder einmal zeigt das alte Europa, dass es vielfältiger ist als die USA, wo das Farbspektrum vom amtierenden Präsidenten auf Schwarz und Weiß reduziert worden ist.

    In Großbritannien, dem Land, in dem bekanntlich vieles, wenn nicht gar alles verkehrt herum funktioniert, bedeuten auch die Farben etwas anderes: Blau steht dort für die Konservativen, und die sozialliberale Koalition der Schotten ist rot-rot-gelb, da die Liberalen die Farben Rot und Gelb tragen. Gelb als Solofarbe ist schon von den schottischen Nationalisten besetzt, und wer im Vereinten Königreich von »Rot-Grün« spricht, der hat womöglich nicht Sozis und Ökos, sondern die
    walisischen Nationalisten im Sinn.

    Wer im europäischen rot-gelb-grün-lila-blauen
    Durcheinander den Überblick zu verlieren droht, der ist möglicherweise besser beraten, den Pinsel aus der Hand zu legen und die Parteien einfach bei ihrem Namen zu nennen.

    Deutschland, deine Apostroph's

    Über dem hölzernen Kahn prangte in grellen
    Neonbuchstaben der Schriftzug »Noah's Arche«. Und sie kamen alle: Petra's Hamster, Susi's Meerschweinchen, Indien's Elefanten, Australien's Känguru's, selbst Marabu's und Kolibri's. Sie flohen vor dem alles verheeren-den Häk'chen-Hagel. Doch es war zu spät: Die Welt versank, und übrig blieb am Ende – nicht's.

    Zähneknirschend nahm man es hin, dass im trüben Fahrwasser der Rechtschreibreform mit einem Mal
    »Helga's Hähncheneck« und »Rudi's Bierschwemme«
    höchste Weihen erhielten und offiziell sanktioniert wurden. Der von vielen gescholtene so genannte Deppen-Apostroph war über Nacht salonfähig geworden. Nun ja, vielleicht noch nicht salonfähig, aber zumindest imbissbudenfähig. Wenn Oma morgens ihr kleines Restaurant aufschließt und die Beleuchtung einschaltet, braucht sie sich nicht mehr zu schämen, dass draußen die mondäne Aufschrift »Oma's Küche« prunkt. Stolz erhobenen Hauptes kann sie sagen: »Was habt ihr denn?
    Ist doch richtig so! Steht sogar im Duden's! «
    Tatsächlich: Dort – wie auch in anderen
    Standardwerken zur
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