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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
Autoren: Bastian Sick
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»Zwiebelfischs« im Internet und riefen von Mal zu Mal stärkere Resonanz hervor. Der Don Quichotte fand Tausende Sancho Pansas, die bereit waren, ihm die Lanze zu halten, und die Windmühlen landauf, landab begannen zu zittern.

    Längst geht es in meiner Kolumne nicht mehr allein um Fragen des journalistischen Stils. Die wöchentlich steigende Flut von E-Mails mit Anregungen und Fragen zeigte alsbald, dass das Interesse der »Zwiebelfisch«-
    Leser weit über die kleineren und größeren Unfälle der Nachrichtensprache hinausging. Es richtete sich auf die vielen Zweifelsfälle der deutschen Sprache im
    Allgemeinen: Wann wird eigentlich noch der Genitiv gebraucht, wie werden englische Verben im Deutschen konjugiert, wo setzt man ein Fugen-s und wo nicht, wie lautet der Plural von diesem oder jenem Fremdwort, was verbirgt sich hinter dieser oder jener Redewendung?

    Das Bedürfnis nach Aufklärung und Klarstellung ist immens. Das liegt aber keinesfalls daran, dass das Volk der Dichter und Denker geistig auf den Hund gekommen wäre, auch wenn PISA und das sprachliche Niveau in den Krawalltalkshows der privaten Fernsehsender einen solchen Schluss nahe legen. In Wahrheit ist unsere Schulbildung immer noch besser als ihr Ruf, und viele der Fehler, die heute gemacht werden, sind gar nicht neu, sondern haben schon frühere Generationen geplagt.
    Die große Verunsicherung darüber, was richtiges und gutes Deutsch ist, hat viele verschiedene Ursachen. Eine lautet, dass wir, egal ob Nord- oder Süddeutsche, Rheinländer oder Sachsen, Österreicher oder Schweizer, allesamt Dialektsprecher sind. Die meisten Dialekte greifen nicht nur in die Aussprache ein, sondern auch in die Grammatik, und jede Mundart hat ihr eigenes Vokabular.

    Im Zuge der Wiedervereinigung waren Millionen
    Ostdeutsche gezwungen, sich mit einer Sprache
    auseinander zu setzen, die sie so bisher nicht kannten.
    Das von Amerikanismen und modischen Blähwörtern durchsetzte Deutsch der Westdeutschen war den
    Einwohnern der neuen Bundesländer in vielerlei Hinsicht genauso unverständlich wie das für sie neue Steuer- und Versicherungssystem.

    Eine rapide Zunahme der Verunsicherung ergab sich auch aus der Rechtschreibreform, deren Urheber eigentlich vieles einfacher und logischer machen wollten.
    Seitdem ist Deutschland ein Jammertal, durch das orientierungslose Wanderer zwischen alter und neuer Orthographie verwirrt umhergeistern.

    Dabei haben die meisten von uns im Grunde ein
    völlig intaktes Sprachgefühl und wissen, an welcher Stelle sie welches Wort zu gebrauchen haben und wie es geschrieben wird. Aber Werbesprache, unverständliches Politiker-deutsch und leider auch bisweilen schlechter Journalismus werfen immer wieder neue Fragen auf und schaffen Verwirrung: Ist »Deutschlands meiste
    Kreditkarte« richtig gesteigert? Warum wird auf Schildern plötzlich jedes »s« apostrophiert: »Für Sie unterweg's«, »nächste Ausfahrt recht's«? Muss man ein Wort wie Anti-Terror-Kampf mit Bindestrichen
    schreiben, ist Antiterrorkampf womöglich falsch?

    Heißt es wirklich »im Sommer diesen Jahres« und nicht »dieses Jahres«? Kann etwas, das sinnvoll ist,
    »Sinn machen«? Wenn es anscheinend einen Unterschied zwischen »scheinbar« und »anscheinend« gibt, warum kennt ihn dann scheinbar niemand? All dies sind Fragen, denen dieses Buch auf den Grund geht.

    Wie wird man eigentlich Sprachpfleger, werde ich manchmal gefragt. Muss man dafür Germanist sein?
    Nein, das muss man nicht. Ich zum Beispiel habe Geschichte und Französisch studiert und bin über Umwege zum Kolumnenschreiben gekommen. Aber die Geheimnisse der deutschen Sprache haben mich
    fasziniert, seit ich sprechen kann. Meine Lektorin meinte einmal verschmitzt, Sprachpflege sei etwas für kleine Jungen, die gerne Tabellen anlegen. Ich fühlte mich ein bisschen ertappt, weil ich tatsächlich Tabellen für sehr nützlich halte (wie diesem Buch unschwer anzusehen ist). Aber es ging mir nie darum, Sprache in Tabellen zu pressen. Denn wer sich genauer mit Sprache auseinander setzt, der gelangt sehr bald zu folgender Erkenntnis: Eine lebende Sprache' lässt sich nicht auf ein immergültiges, fest zementiertes Regelwerk reduzieren. Sie ist in ständigem Wandel und passt sich veränderten Be-dingungen und neuen Einflüssen an. Darüber hinaus gibt es oft mehr als eine mögliche Form. Wer nur die Krite-rien richtig oder falsch kennt, stößt schnell an seine Grenzen, denn in vielen Fällen gilt sowohl das
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