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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt
Autoren: Helmut Vorndran
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Ihr Freund Bernd Schmitt lächelte
zurück, während ihm Tränen der Verzweiflung über das Gesicht liefen.
    Nicht nur
Fidibus und Zobel machten Franz Haderlein Vorwürfe, dass er die beiden einfach
so hatte fahren lassen, nein, er machte sie sich auch selbst. Eine
Dreiviertelstunde waren Lagerfeld und Jahn nun schon verschwunden und hatten
sich nicht mehr gemeldet. Weder bei Ute von Heesen noch bei Lagerfeld ging
jemand ans Handy. Schließlich gab Haderlein seinem unguten Gefühl nach und
beorderte einen Streifenwagen zur Dienststelle, der ihn zur Loffelder Mühle
bringen sollte. Auf der Fahrt Richtung Bad Staffelstein versuchte er noch
mehrmals irgendjemanden telefonisch zu erreichen, doch vergebens.
    Als der
Streifenwagen vor der Mühle hielt, sah Haderlein sofort, dass etwas nicht
stimmen konnte. Die Haustür fehlte, und das Flurlicht schien ungehindert in den
Garten. Haderlein sprang schon aus dem Wagen, als dieser noch parkte. Mit
gezogener Waffe betrat er vorsichtig den Hausflur. Eine seltsame Stille
herrschte im Haus. Mit der Waffe im Anschlag spähte er um die Ecke und sah
einen Mann am Boden liegen, den Kopf auf einen Sack Zement gebettet. Hans
Günther Jahn drückte einen alten Lumpen auf eine blutende Wunde an der Hüfte,
sagte aber nichts. Als Haderlein sich weiter vorwagte, entdeckte er den
massigen, tätowierten, vor allem aber toten Körper eines Mannes. Dem Hammerskin
hatte jemand mit seiner eigenen Machete den Kopf fast komplett vom Hals
abgetrennt. Der Schädel mit den nun ausdruckslosen Augen war zur Seite
weggeknickt und wurde nur noch von einem dünnen Muskelfaserbündel am Körper
gehalten, das von einem Stück Haut überdeckt wurde. Auf der Haut war groß und
deutlich das schwarze Zeichen der Waffen- SS eintätowiert.
    Lagerfeld
legte Utes Kopf auf ein zerfetztes altes Sofakissen. Inzwischen war das Lächeln
aus ihrem Gesicht gewichen, und kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. Er
strich ihr mit der rechten Hand liebevoll über das Haar, dann drehte er sich um
und ging zur Kellertreppe. Etwas tropfte immer schneller durch einen kleinen
Spalt der Luke auf den Kellerboden. Lagerfeld sah sofort, dass es Blut war.
Irgendjemand war dort oben gestorben. Aber wer? Er ging zu Ute zurück und
setzte sich eine Weile neben sie. Ihre Haut wurde immer kälter, die
Schweißausbrüche immer intensiver. Er deckte sie mit einer zweiten Decke zu,
als er aus dem Erdgeschoss eine Stimme hörte.
    »Bernd!«
Es war HG .
    Sofort
rannte der Kommissar die Stufen hinauf und versuchte die Klappe zu heben. Er
schaffte es erst beim zweiten Versuch, als, während er dagegendrückte, etwas
sehr Schweres von der Klappe rutschte. Als er aus dem Keller trat, sah ihn HG müde lächelnd an. Er saß an einem Balken. Es war der
tote Kiesler gewesen, der von der Klappe gerutscht war. Der Anblick des Skins
war gewöhnungsbedürftig, die Art und Weise seines Dahinscheidens
offensichtlich.
    »Wie geht
es deiner Süßen?«, wollte HG wissen, bevor er das
Gesicht schmerzverzerrt verzog.
    Als
Lagerfeld sah, dass er aus einer Wunde an der Hüfte blutete, drehte er den
nächstbesten Lappen zu einem Knäuel zusammen. HG nahm den Klumpen dankbar an und drückte ihn sich fest auf die blutende Wunde.
    »Ich weiß
es nicht«, sagte Lagerfeld deprimiert. »Es kann gut sein, dass ich zu spät
gekommen bin.«
    »Redet
sie, oder schwitzt sie?«
    »Ihr ist
kalt, aber sie schwitzt ziemlich heftig«, antwortete Lagerfeld verwirrt.
    HG lächelte. »Das ist gut.
Das ist sehr gut.«
    Lagerfeld
fiel ein kleiner Stein vom Herzen, er holte das Handy heraus, das unten im
Keller keinen Empfang gehabt hatte, und alarmierte die Notrufleitstelle. Der
Krankenwagen würde umgehend hier sein.
    »Sag mal,
Bernd, das ist aber wirklich eine trockene Baustelle. Gibt’s hier noch nicht
einmal Bier? Das könnte ich jetzt echt gut gebrauchen.«
    Lagerfeld
brauchte einen Moment, bevor er begriff, dann grinste er. »Stimmt. Ich glaube
zwar nicht, dass Alkohol im Haus ist, aber ich schau nach. Bin gleich wieder
da.« Erleichtert ging er die Treppe hinunter und sah noch einmal nach seiner
Ute. Sie schwitzte noch, aber immerhin war sie jetzt eingeschlafen. Keine Spur
mehr von einer verdächtigen Redseligkeit. Er strich ihr kurz über die Wange,
dann ging er zum Kühlschrank, um ein Mineralwasser zu holen. Ein Bier hätte ihm
jetzt auch gutgetan, aber das gab’s auf den allgemeinen Wunsch einer Einzelnen
hin hier nicht. Als er den Kühlschrank öffnete, traute er seinen
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