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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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herausgekommen und die grauen Wolken hatten einem strahlend blauen Monsunhimmel Platz gemacht.
    » Ja, Miao«, sagte er sanft. » Es ist sehr dunkel.« Und dann erzählte er weiter, eine Geschichte von einem Milan, der zu nah an die Sonne herangeflogen war.
    » Ist es jetzt sehr kalt?«, fragte Miao, nachdem er zu Ende erzählt hatte.
    Tooths Stimme zitterte. » Ja, es wird kälter«, antwortete er. » Das muss daran liegen, dass es heute Vormittag geregnet hat.«
    Miao sah ihn an und der Milan bemerkte das Lächeln in ihren Augen.
    » Ich habe mich an all die Kätzchen erinnert, die ich kannte, und daran, wie sie zu wundervollen Katzen herangewachsen sind«, sagte die Siamkatze. » Du warst bestimmt ein ganz besonderes Küken, Tooth. Deine Mutter muss sehr stolz auf dich gewesen sein.«
    Der Milan konnte darauf nichts erwidern. Stattdessen berührte er Miao sanft mit dem Schnabel. » Soll ich dir noch eine Geschichte erzählen?«
    » Ja, bitte. Erzähl mir die mit dem Milan, der zum Rand der Welt und wieder zurück flog.«
    Das war eine wunderbare Geschichte und Tooth erzählte sie gut. Dabei schaute er zu, wie die Wolken langsam über den Himmel zogen. Als er am Ende angelangt war, begann es wieder zu nieseln.
    » ›Und das‹, sagte der alte Milan, ›musst du tun, wenn du das Ende der Welt erreichst: Ganz einfach, du lässt die Flügel ausgebreitet und fliegst weiter.‹«
    Er schwieg und betrachtete Miao. Sie hatte die Augen geschlossen und ihr Gesicht war ruhig und friedlich. Aber der Stein unter ihr, auf dem er sie abgelegt hatte, war voller Blut.
    » Miao?«, fragte er unsicher.
    Plötzlich ging der Regen in Sturzbächen nieder und wusch der Siamkatze das Blut aus dem Gesicht. Miao regte sich nicht, und Tooth verstand: Die beste und tapferste Kriegerin, die er je kennengelernt hatte, war aufgebrochen, um sich den Rand der Welt mit eigenen Augen anzusehen.

Epilog
    K urz bevor sie die Treppe zum Haus des Senders hinauf-
stieg, hielt Beraal inne und lauschte dem Geschnatter der Eichhörnchen. Ao und Jao waren auf einen Baum im Park umgezogen, da sie nicht mehr beim Verrammelten Haus leben wollten. Die Erinnerung an die Schlacht saß tief und außerdem hatten die Großfüße den Garten übernommen.
    Ein wenig hatte der Schock über das Gemetzel allerdings schon nachgelassen und die alten Eichhörnchen stritten sich wieder wie früher. Ao beharrte darauf, dass die Luft nach Winter roch. » Natürlich ist es noch nicht Winter, wir haben kaum einmal den Monsun hinter uns«, erwiderte Jao genervt.
    » Warum zittert dein Schwanz dann?«, wollte Ao wissen.
    » Er wippt!«, sagte Jao. » Ich habe damit gewippt, er hat nicht gezittert.«
    » Unfug!«, gab Ao zurück. » Ich kann doch wohl unterscheiden, wann du mit dem Schwanz wippst. Das war ein eindeutiges Zittern.«
    Und damit jagten sie schnatternd über die Äste des Baums. Die Drosslinge hatten großzügig einen Willkommensgruß für sie gedichtet, der allerdings ein wenig in die Hose ging, als Mi sich von einem Wurm ablenken ließ und Fa und Sol sich mit dem fehlenden Vers abmühen mussten.
    Während Beraal die Treppe hochstieg, hellte das Geschnatter der Eichhörnchen ein wenig ihre Laune auf. Die Katzen hatten um Miao getrauert, als Tooth zu Katar geflogen war und ihm von ihrem Tod erzählt hatte. Alle waren erschüttert und erzählten sich im Schrein des Fakirs die ganze Nacht lang Erinnerungen und Geschichten über Miao. Und dann machten sie sich an die dringende Aufgabe, die Jungen und die Alten in das Winterquartier zu bringen. Nach dem Monsun hatte beißende Kälte in Nizamuddin Einzug gehalten, und sowohl Katar als auch Hulo spürten in den Schnurrhaaren, dass es ein harter Winter werden würde.
    Die drei Katzen vermissten Miao fürchterlich. Bei der Jagd stellte sich Beraal oft Miaos schlanke Gestalt vor oder die blauen Augen der Siamkatze, die aufgeblitzt waren, wenn sie sich auf ihre Beute gestürzt hatte, und Beraal malte sich aus, wie der schwarze Schwanz sich um die Pfoten rollte, um sie zu wärmen.
    Mara hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nach der Schlacht geschlafen, so sehr war sie davon erschöpft gewesen, den Tiger nach Nizamuddin zu holen. Nur weil sie sich so nahestanden, hatte Mara dieses doppelte Senden durchführen können: Ohne seine Zustimmung und sein Vertrauen hätte sie Ozzy niemals bis nach Nizamuddin tragen können. Und trotzdem hatte Mara ihre gesamten Kräfte aufbringen müssen, um sich das Bild des Tigers vorzustellen und
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