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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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stolzer Milan gewesen, und Miao eine junge, stolze Kätzin. » Falte den Schmerz, bis er die Größe eines Kükens hat, und dann weiter bis zur Größe der Kralle eines Kükens«, hatte sie ihr an dem Tag erklärt, an dem sie sich bei einem Flugmanöver verschätzt und eine Kralle ausgerissen hatte. Und es war ein guter Rat, wie Miao jetzt wusste, solange der Schmerz eine bestimmte Grenze nicht überschritt. Irgendwann verlor sie das Bewusstsein und hatte sich so tief in diesen Zustand versenkt, dass Ratsbane geglaubt hatte, sie wäre tot.
    Sie brauchte eine ganze Weile, um über das trockene Laub und die Zweige zu krabbeln, die den Boden bedeckten. Doch sie ließ sich auch nicht von den Dornen der Akazie aufhalten. Die Siamkatze kroch weiter und hielt nur an, wenn sie befürchtete, die Aufmerksamkeit eines Unbezähmbaren auf sich zu lenken. Aber sie hatte Glück. Ratsbane hatte für seinen Hinterhalt eine Stelle gewählt, die ein wenig abseits der eigentlichen Schlacht lag, und der Weg zur Mauer war frei. Auf ihrem langsamen Weg litt Miao unter dem Schmerz und der Schwäche. Ihre Hinterpfoten waren verletzt: eine gebrochen, die andere zermalmt. Dem Schmerz nach zu urteilen, hatte es sie auch am Rückgrat erwischt. Trotzdem kroch sie weiter.
    Sie hatte die Mauer gerade erreicht, als der Sender schimmernd mit dem Tiger erschien, und obwohl Miao so erschöpft war, freute sie sich– wenn sie noch Schnurrhaare gehabt hätte, hätte sie sie zum Gruß erhoben. Es schien ihr, als würde sich das orangefarbene Kätzchen umdrehen und sie ansehen. Dann bemerkte sie, dass sich Mara vom Tiger entfernte, und sie wusste, dass sie recht hatte.
    » Nein«, flüsterte sie und hoffte, der Sender würde sie hören. » Bleib beim Tiger. Die Wilden Katzen brauchen dich dringender als ich, Mara. Ja, ich kenne deinen Namen, wir alle kennen dich, auch wenn wir uns noch nie getroffen haben. Bleib dort. Erfülle deine Aufgabe.«
    Der Sender zögerte, doch dann brüllte Ozzy wieder. Mara blieb an seiner Seite, aber wann immer sie konnte, wandte sie sich mit ernstem Blick zu Miao um. » Beraal hat mir alles über dich erzählt«, sagte sie zu der Siamkatze und schloss die anderen aus dem Gespräch aus. » Ich kann nicht viel reden– den Tiger zu holen und hier aufrechtzuerhalten, kostet mich eine Menge Kraft–, aber kann ich dir nicht irgendwie helfen? Können die anderen Katzen nicht zu dir kommen, Miao?«
    » Nein. Ich sterbe, Mara, die Wunden sind zu tief.« Sie sah, wie das Kätzchen zögerte, und begriff, dass Mara nicht verstand. » Wenn wir uns der anderen Seite nähern, sterben wir lieber allein«, erklärte sie. » Es ist– wir sind Katzen. So haben wir es gern, still und ruhig. Die anderen Katzen haben die Pfoten voll zu tun mit der Schlacht. Ich bin hier in Sicherheit. Tu du, was du zu tun hast, Sender. Aber ehe du gehst…«
    Die Siamkatze unterbrach sich und ihre alten Augen wurden glasig vor Schmerz. Mara hätte den Tiger allein gelassen und wäre zu ihr gekommen, doch Miao schlug die Augen wieder auf und starrte das Kätzchen an, damit es blieb, wo es war.
    » Der Sender zu meinen Zeiten hat am Ende als Drinnenkatze gelebt, so wie du«, sagte Miao. » Sie hat darunter gelitten, Mara. Sie besaß große Kräfte, doch weil sie nicht mehr nach draußen ging, ist etwas in ihr verkümmert und gestorben. Was du jetzt machst, ist so tapfer…« Wieder musste die Siamkatze eine Pause machen, weil ihre Rippen so schrecklich schmerzten.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sahen der Sender und der Tiger gerade zu, wie die Unbezähmbaren flohen.
    » Mara«, flüsterte Miao, und sofort wandte sich das Kätzchen zu ihr um und sah sie über das Schlachtfeld hinweg an. » Dein Mut, deine Kraft und dein Talent sind größer als von jedem anderen Sender, der vor dir gelebt hat, sogar größer als die von Tigris, die zu meiner Zeit Sender war. Aber du bist nicht hier. Du sendest dich nur.« Sie musste zum Ende kommen. Blut sammelte sich in ihrem Maul und sie fletschte die Zähne und ließ es auf den Boden fließen. Die Erde unter ihrem Gesicht wurde dunkel davon. Miao rief ihre schwindenden Kräfte zusammen und fuhr fort: » Nizamuddin wird sich verändern, Mara. Ich spüre es und Beraal auch. Es ist die Schlacht und noch vieles mehr … ich kann nicht alles sehen … du könntest …« Vor Erschöpfung versagte ihr die Stimme. » Versprich mir, dass du aus dem Haus kommst, wenigstens ein paarmal«, sagte sie dann.
    Das orangefarbene Kätzchen
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