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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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riss die jungen grünen Augen auf. » Aber ich finde es draußen ganz schrecklich«, erwiderte sie. » Du verstehst es nicht, Miao.«
    Die Siamkatze hätte gelächelt, das konnte Mara ihr von den Augen ablesen, doch schnell schwand das Licht wieder aus ihnen.
    » Doch, ich verstehe es«, sagte sie. » Ich hatte Höhenangst, als ich ein Kätzchen war. Daher weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man allein beim Gedanken an etwas zittern muss, das für andere Katzen so einfach und für dich selbst so schwer ist. Trotzdem musst du es tun, Mara. Die Welt besteht nicht nur aus Senden, Kleine. Wenn du dich abschottest und einschließt, fern von den Nizamuddin-Katzen, wird etwas in dir verkümmern. Ich habe keine Zeit mehr, Mara. Versprich mir einfach, dass du herauskommst. Versprich es mir bei Schnurrhaar und Pfote. Gib mir dein Ehrenwort, bei Schwanz und Kralle.«
    Die Worte blieben nicht ohne Wirkung. Mara antwortete: » Ich verspreche, dass ich es versuchen werde, Miao.« Dann zitterten ihre Ohren und das Fell des Kätzchens schien vor Müdigkeit zu zerknittern. » Ich muss gehen, Miao. Wenn wir uns nur früher kennengelernt hätten.«
    » Das hätten wir, wenn du früher aus dem Haus gekommen wärst«, sagte Miao und blickte Mara in die grünen Augen. » Du musst dieses Versprechen halten. Für mich.«
    Als das Kätzchen flimmernd verblasste, ließ Miao den Kopf zu Boden sinken und war dankbar für das weiche Kissen der Erde. Das Sprechen war zu viel für sie gewesen. Jetzt hörte sie ein Durcheinander von Stimmen und Lauten: das ferne Jaulen der Unbezähmbaren, die Schlachtrufe von Qawwali und den Schreinkatzen, das leise Gespräch zwischen Katar und Hulo und Beraals klare Stimme. Aber sie war zu erschöpft, um zuzuhören. Sie lag unten vor der Mauer und spürte, wie sich eine schwarze Müdigkeit in ihr ausbreitete. Miao wusste, dass sie innerlich schwer verwundet war.
    Die Mauer spendete ihr Trost. Sie erinnerte Miao daran, dass die Unbezähmbaren auf dieser Seite der bröckelnden Grenze geblieben waren, die das Grundstück des Verrammelten Hauses von den Nizamuddin-Katzen trennte, die in Freiheit lebten. Auf der anderen Seite gingen die Drosslinge ihren Angelegenheiten nach und waren sicher vor Datura und seinesgleichen. Die Ratten streiften weiter durch die Abwässerkanäle, und Blackwing, Brightbeak und die ganzen anderen Krähen konnten sich in den Bäumen des Parks unterhalten, ohne befürchten zu müssen, auf brutale Weise getötet zu werden.
    Miao driftete zwischen dem Schmerz und dem Balsam der Erinnerungen hin und her. Sie dachte an die Sender von Nizamuddin, daran, wie sie Southpaw das Jagen beigebracht hatte, und an den Mungo, der in jener Nacht so unerwartet vor ihnen aufgetaucht war. Sogar während sie tödlich verwundet dalag, waren ihre Erinnerungen glückliche.
    Sie hatte auch Beraal das Jagen beigebracht und zugeschaut, wie das Kätzchen versuchte, Ratten zu erlegen, die dreimal so groß waren wie es selbst. Beraal war ohne eine Unze Angst in den Schnurrhaaren geboren worden, wie es in der alten Redewendung hieß. Eine ganze Parade Kätzchen marschierte vor Miaos innerem Auge entlang und linderte den Schmerz in ihren blauen Augen. Sie erinnerte sich an ihre ersten Jagden und ihre Reaktionen, als sie das erste Mal Beute sahen. Manche waren zurückgewichen; andere, so wie zum Beispiel Katar, hatten mit aufgerissenen Augen dagestanden und waren entschlossen gewesen, Miao nicht zu enttäuschen. Und einige, so wie Hulo, waren schon Draufgänger gewesen, als sich das Blaue gerade in ihren Augen verlor.
    Die Siamkatze zuckte zusammen, als sie vom Himmel her ein mächtiges Flattern hörte. Sie war jedem Raubtier wehrlos ausgeliefert und viele könnten vom Geruch des Blutes angelockt werden. Vielleicht war es jedoch besser, rasch zu sterben, dachte Miao. Besser vermutlich, als ein langsames Ende oder gar die Schande, von Großfüßen gefunden zu werden.
    Die Flügel raschelten neben ihren Ohren, und Miao zwang sich, die Augen aufzuschlagen. Wenigstens wollte sie ihren Bezwinger sehen, so wie sie auch Ratsbane ins Gesicht gestarrt hatte.
    Tooth faltete die Flügel zusammen. Auf dem Gras wirkte der Milan unbeholfen, aber er ging zu ihr und hüpfte dabei, so wie Milane sich eben am Boden fortbewegten. Über seinem Kopf schrien Nachtigallen und Spatzen und wollten wissen, wer die Schlacht überlebt hatte.
    » Ich habe dich aus dem Himmel gesehen«, sagte er. » Soll ich Beraal und die anderen rufen, damit sie
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