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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Autoren: Lian Hearn
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Hass.
    Seit dem Tod Arais und der Otorilords vor sechzehn Jahren hatte Kenji langsam und mit viel Geduld auf Takeos Ziel hingearbeitet: alle Quellen und Mittel der Gewalt der Regierung zu übertragen, um die Macht einzelner Krieger und die Gesetzlosigkeit von Räuberbanden einzudämmen. Kenji war es, der von der Existenz jener alten, geheimen Bünde gewusst hatte, die Takeo unbekannt gewesen waren – Treue zum Reiher, Wut des Weißen Tigers, Schmale Pfade der Schlange. Bauern und Dorfbewohner hatten sie während der Jahre der Anarchie gebildet. Diese Bünde nutzten und bauten sie nun so weit aus, dass sich das Volk auf dörflicher Ebene selbst organisieren, seine eigenen Anführer wählen und seine Klagen den Provinzgerichten vortragen konnte.
    Diese Gerichte wurden von der Kriegerklasse verwaltet. Deren eher unmilitärisch gesinnte Söhne, gelegentlich auch Töchter, wurden an die großen Schulen von Hagi, Yamagata und Inuyama geschickt, damit sie dort das Ethos des Dienens, Buchführung und Wirtschaft, Geschichte und klassische Literatur studierten. Wenn sie dann in ihre Provinzen zurückkehrten, um ihre Ämter zu übernehmen, erhielten sie einen Rang und ein angemessenes Einkommen. Sie waren den Ältesten ihres jeweiligen Clans direkt verantwortlich, diese wiederum dem Oberhaupt des jeweiligen Clans. Die Oberhäupter trafen sich regelmäßig mit Takeo und Kaede, um über Politik zu diskutieren, Steuersätze festzulegen und für Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten zu sorgen. Einjeder musste einen Teil seiner besten Männer an die zentrale Truppe überstellen, halb Armee und halb Polizei, die gegen Räuber und andere Verbrecher vorging.
    Kenji erledigte diese Verwaltungsarbeit mit großem Geschick und meinte, sie sei der uralten Hierarchie des Stammes nicht ganz unähnlich – und tatsächlich gelangten viele Netzwerke des Stammes jetzt unter Takeos Herrschaft, wenn auch mit zwei grundlegenden Unterschieden: Folter war verboten, und Mord und Bestechung wurden mit dem Tod bestraft. Letzteres war innerhalb des Stammes am schwersten durchzusetzen, und die Stammesangehörigen fanden wie immer Listen, um das Verbot der Bestechung zu umgehen, wagten jedoch nicht, mit großen Geldsummen zu handeln oder ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Als Takeos Entschlossenheit, die Korruption auszurotten, sich immer mehr verstärkte und nachdrücklicher wurde, nahm selbst die Bestechung auf niedrigem Niveau ab. Da der Mensch nun einmal schwach ist, wurde sie durch etwas anderes ersetzt: den Austausch schöner und geschmackvoller Geschenke von verstecktem Wert, was wiederum Scharen von Handwerkern und Künstlern in die Drei Länder lockte, und zwar nicht nur von den Acht Inseln, sondern auch vom Festland, aus Silla, Shin und Tenjiku.
    Nachdem das Erdbeben den Bürgerkrieg in den Drei Ländern beendet hatte, versammelten sich die Oberhäupter der verbliebenen Familien und Clans in Inuyama und huldigten Otori Takeo als ihrem Anführer und obersten Lord. Alle Blutfehden gegen ihn oder untereinander wurden für beendet erklärt, und es ergaben sichviele bewegende Szenen, als sich Krieger nach Jahrzehnten der Feindschaft aussöhnten. Doch sowohl Takeo als auch Kenji war bewusst, dass Krieger zum Kämpfen geboren waren, und die Frage war, gegen wen sie nun kämpfen sollten. Und wie sollte man sie beschäftigen, wenn sie nicht kämpften?
    Einige kümmerten sich um die Grenze im Osten, doch dort tat sich wenig und ihr größter Feind war die Langeweile. Einige begleiteten Terada Fumio und Dr. Ishida auf deren Entdeckungsreisen, beschützten die Handelsschiffe auf See und die Geschäfte und Speicherhäuser der Händler in fernen Häfen. Einige widmeten sich den Herausforderungen, die Takeo in Schwertkampf und Bogenschießen aufstellte, und stritten im Kampf von Mann zu Mann gegeneinander. Und einige wurden auserwählt, um sich der edelsten Form des Kampfes zu widmen: der Beherrschung des Selbst, dem Weg des Houou.
    Diese Gemeinschaft, angesiedelt im Tempel von Terayama, dem spirituellen Mittelpunkt der Drei Länder, und geführt von Matsuda Shingen, dem uralten Abt, und Kubo Makoto, war eine Bergsekte, eine esoterische Religion, deren Lehren und Disziplin nur von Männern – und Frauen – von großer körperlicher und seelischer Stärke befolgt werden konnten. Die Gaben des Stammes
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