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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Autoren: Lian Hearn
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Stadt, oder?«
    Â»Ja. Er hätte gern im Tempel an den Feierlichkeiten zum Neuen Jahr teilgenommen, aber seine Gesundheit ist angegriffen und von der kalten Nachtluft bekommt er Hustenanfälle.«
    Â»Ich werde ihn morgen aufsuchen. Hält er sich im alten Haus auf?«
    Taku nickte. »Er mag den Geruch der Brauerei. Er meint, dort falle ihm das Atmen leichter.«
    Â»Ich nehme an, dabei hilft ihm auch der Wein«, erwiderte Takeo.
    Â»Es ist die einzige Freude, die mir geblieben ist«, sagte Muto Kenji, der Takeos Becher füllte und ihm anschließend den Krug reichte. »Ishida rät mir zwar, weniger zu trinken, und meint, Alkohol sei schlecht für meine kranken Lungen, aber … er heitert mich auf und ich schlafe auch besser.«
    Takeo schenkte seinem alten Lehrer vom klaren, tückischen Wein ein. »Mir rät Ishida auch, weniger zu trinken«, gestand er, als sie beide einen tiefen Schluck nahmen. »Aber in meinem Fall lindert er die Gelenkschmerzen. Außerdem kann man nicht unbedingt behaupten, dass Ishida seinen eigenen Rat beherzigt. Warum also wir?«
    Â»Wir sind zwei alte Männer«, sagte Kenji lachend.»Wer hätte damals, vor siebzehn Jahren, als du versucht hast, mich hier in diesem Haus zu töten, gedacht, dass wir einmal hier sitzen und uns über unsere Gebrechen unterhalten würden?«
    Â»Sei dankbar, dass wir so lange überlebt haben!«, antwortete Takeo. Er ließ seinen Blick durch das kunstvoll gebaute Haus mit den hohen Decken, den Säulen aus Zedernholz und den Veranden und Fensterläden aus Zypressenholz schweifen. Es steckte voller Erinnerungen. »Dieses Zimmer ist viel gemütlicher als diese jämmerlichen Kammern, in denen ich eingesperrt war!«
    Kenji lachte wieder. »Aber nur, weil du dich ständig wie ein wildes Tier aufgeführt hast! Die Mutofamilie hat den Luxus immer gemocht. Und die Jahre des Friedens, die Nachfrage nach unseren Waren haben uns sehr reich gemacht – dank dir, mein lieber Lord Otori.« Er prostete Takeo zu. Beide tranken noch einen Schluck und schenkten einander danach wieder ein.
    Â»Es wird mir vermutlich leidtun, all dies zu verlassen. Ich glaube nicht, dass ich noch ein Neujahr erlebe«, gestand Kenji. »Aber du – du weißt, die Leute glauben, du wärst unsterblich!«
    Takeo lachte. »Niemand ist unsterblich. Der Tod wartet auf mich wie auf jeden anderen. Aber meine Zeit ist noch nicht gekommen.«
    Kenji war einer der wenigen Menschen, die über alles Bescheid wussten, was Takeo prophezeit worden war, einschließlich des Teils, den er geheim hielt: dass er nur durch die Hand seines eigenen Sohnes sterben konnte. Alle anderen Voraussagen hatten sich in gewisser Weisebewahrheitet: Fünf Schlachten hatten den Drei Ländern Frieden gebracht und Takeo herrschte von Meer zu Meer. Das verheerende Erdbeben, das die letzte Schlacht beendet und Arai Daiichis Heer vernichtet hatte, konnte durchaus als himmlischer Wille gedeutet werden. Und bisher war niemand im Stande gewesen, Takeo zu töten, was dem letzten Teil der Prophezeiung noch mehr Glaubwürdigkeit verlieh.
    Takeo teilte viele Geheimnisse mit Kenji, der in Hagi sein Lehrer gewesen war und ihn in den Stammeskünsten unterrichtet hatte. Mit Kenjis Hilfe war Takeo in das Schloss von Hagi eingedrungen und hatte Shigerus Tod gerächt. Kenji war ein kluger, listiger Mann und bar jeder Sentimentalität, doch mit mehr Ehrgefühl als üblich im Stamm. Hinsichtlich der Natur des Menschen gab er sich keinen Illusionen hin und erkannte die schlechtesten Seiten der Menschen, sah hinter ihren edlen und hochherzigen Worten den Egoismus, die Eitelkeit, die Dummheit und die Gier. Daher war er ein fähiger Diplomat und Verhandlungsführer, und Takeo vertraute ihm seit langem voll und ganz. Kenji hatte keine persönlichen Bedürfnisse außer seiner Vorliebe für Wein und die Frauen der Vergnügungsviertel. Besitz, Reichtum oder Rang waren ihm offenbar gleichgültig. Er hatte sein Leben Takeo gewidmet und geschworen, ihm zu dienen. Und er empfand eine besondere Zuneigung für Lady Otori, die er bewunderte, eine tiefe Verbundenheit zu seiner Nichte Shizuka und eine gewisse Achtung für ihren Sohn Taku, den Herrn der Spione. Von seiner inzwischen verstorbenen Frau Seiko hatte er sich nachdem Tod seiner Tochter Yuki entfremdet und an andere Menschen banden ihn weder Liebe noch
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