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0260 - Die Mitternachts-Hexe

0260 - Die Mitternachts-Hexe

Titel: 0260 - Die Mitternachts-Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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Der Junge nahm keine Notiz davon. Er träumte sich hinaus in die Unendlichkeit des Alls, auf fremde Welten, so exotisch, wie er sie sich nur vorstellen konnte.
    Er war ein Phantast. Ein Träumer. Ein Tunichtgut.
    Alle sagten das. Auch sein Großvater, bei dem er lebte, seit Vater und Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Nicht einmal der verstand ihn.
    Kevin mußte allein träumen. Und es war nicht die erste Nacht, daß es ihn aus der Hütte seines Großvaters fortgetrieben hatte an den nahen See, dessen spiegelnde Oberfläche, die sich jetzt im Windspiel kräuselte, wie ein Tor zu anderen Plätzen des Universums wirkte.
    Kevin hatte oft die zauberische Anziehungskraft des dunklen Wassers gespürt, in dem sich die Sterne berührten, wenn die Wellen heftiger wurden.
    In dieser Nacht war das Gefühl stärker als je zuvor.
    Er vermochte sich kaum dagegen zu wehren. Es war, als wollte ihn etwas in die nasse Tiefe locken…
    Er widerstand zwar dem unsichtbaren Sog, doch in seinem Innern ballte sich etwas zusammen, das er sich nicht erklären konnte. Plötzlich spürte er sogar leise Angst in sich erwachen. Er kniff die Augen zusammen, löste den Blick vom Nachthimmel und ließ ihn zurückwandern zu der lautlos wogenden Oberfläche des großen Sees, über den sein Großvater die unglaublichsten Geschichten zu erzählen wußte, wenn er bei Laune war.
    Kevin blickte auf die Leuchtziffem seiner Armbanduhr und zuckte zusammen, als ihm bewußt wurde, daß es bereits kurz nach Mitternacht war. So lange hatte er nicht bleiben wollen. Er war kurz nach zehn Uhr aus seinem Zimmerfenster geklettert und hatte sich hierher geschlichen. Wie im Fluge war die Zeit seither beim Träumen vergangen.
    Ich muß zurück, dachte Kevin und empfand fast etwas wie Erleichterung bei dem Gedanken, denn allmählich, ohne daß er es sich erklären konnte, stieg Furcht in ihm hoch.
    Noch einmal blickte er zum See und anschließend zum Nachthimmel hinauf, bevor er sich abwandte.
    Abwenden wollte.
    Doch etwas hinderte ihn im letzten Augenblick, auf dem Absatz kehrt zu machen und nach Hause zu laufen.
    Etwas zwang ihn auf die Stelle und nagelte seinen entsetzten Blick am nächtlichen Firmament fest.
    Denn dort geschah in diesem Augenblick etwas, was Kevin Brannigans Blut in den Adern gerinnen und ihn an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln ließ: Von einem Pulsschlag zum anderen - erloschen die Sterne!
    Alle!
    ***
    Es war, als würde sich ein schwarzes Tuch von riesenhaften Ausmaßen über die funkelnden Gestirne stülpen und ihren stillen Glanz ersticken. Der ganze, unbegreifliche Vorgang dauerte nur einen Lidschlag - dann gähnte über Kevin Brannigans Kopf der Nachthimmel wie ein unendliches, lichtloses Loch, in dem es nichts mehr gab. Keine Mond, keine Sterne… nichts?
    Der Schock des Erlebten ließ den fünfzehnjährigen Jungen wie Espenlaub zittern. Sein Herz hämmerte wie verrückt und trieb ihm kochend heißes Blut durch die Adern. Nichts spürte er mehr von der nächtlichen Kälte, die ihm der eisige Wind entgegenblies. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er auf das unfaßbare Schauspiel, das sich über ihm ereignete und ihn völlig in seinen Bann zog.
    So etwas gibt es nicht! schrien seine Gedanken. Sterne können doch nicht erlöschen von einem Moment zum anderen… als ob sie jemand abgeschaltet hätte! Und nirgendwo ist eine einzige verfluchte Wolke zu sehen…
    Er versuchte, das Unerklärliche zu erklären. Er wollte nicht glauben, daß etwas geschehen war, das alles Schulwissen, welches seine Lehrer ihm über Jahre hinweg eingeimpft hatten, verlachte und auf den Kopf stellte.
    Plötzlich spürte er die Gefahr, in der er sich befand. Weg… nur weg… , dachte er.
    Doch wieder geschah etwas, das ihn zum Bleiben zwang, weil seine Neugierde stärker war als jede Angst.
    Der See!
    Was war mit dem See?
    Der kalte Sturmwind fegte mit unverminderter Kraft über die Oberfläche des Wassers. Aber - es gab keine Wellen mehr! Völlig erstarrt und spiegelglatt ruhte der See im Wind!
    Kevin konnte es genau erkennen, obwohl die Dunkelheit ringsum seit dem unheimlichen Ereignis von keinem Sternenlicht mehr erhellt wurde.
    Statt dessen - leuchtete der See selbst in ungewissem Licht…
    Kevin wußte nicht, wie lange er auf die schwarzspiegelnde Oberfläche gestarrt hatte, als diese urplötzlich unter einer lautlosen Explosion zerbarst und sich vor seinen Augen öffnete.
    Der Junge bekam einen trockenen Hals. Er wollte schreien, laut
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