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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Autoren: Lian Hearn
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Kikutafamilie, enthalten in den Aufzeichnungen über den Stamm, die Shigeru vor seinem Tod zusammengetragen hatte. Bei dem Jungen handelte es sich um den jüngeren Sohn, Yuzu, bei dem Mädchen um Ume. Der Tote, Kunio, war der Älteste der drei und einer der Jungen, mit denen Takeo trainiert hatte.
    Es war der erste Tag im Jahr. Man hatte ihm die Gefangenen in einer der Wachstuben im untersten Geschoss des Schlosses von Inuyama vorgeführt. Sie knieten vor ihm, die Gesichter bleich vor Kälte, aber unbewegt. Ihre Arme waren gefesselt und sie wirkten hungrig und durstig, waren aber nicht misshandelt worden. Nun musste er über ihr Schicksal entscheiden.
    Seine anfängliche Wut über das Attentat auf seine Familie war durch die Hoffnung gemildert worden, dass ihm diese Situation irgendwie von Nutzen sein könnte. Vielleicht würde dieser nach all den anderen Versuchen neuerlich gescheiterte Überfall die Kikutafamilie, die ihn vor Jahren zum Tode verurteilt hatte, doch noch zur Aufgabe, zu irgendeinem Friedensschluss bewegen.
    Ich bin ihnen gegenüber zu träge gewesen , dachte er. Ich habe mir eingebildet, ihre Überfälle könnten mir nichts anhaben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich auf dem Umweg über meine Familie treffen könnten.
    Beim Gedanken an das, was er gestern Kaede gesagt hatte, überkam ihn eine ganz neue Angst. Er glaubte nicht, dass er ihren Tod, ihren Verlust überleben würde. Genauso wenig wie das ganze Land.
    Â»Haben sie euch etwas erzählt?«, fragte er Muto Taku. Taku, inzwischen im sechsundzwanzigsten Lebensjahr, war der jüngere Sohn Muto Shizukas. Sein Vater war Arai Daiichi gewesen, der große Kriegsherr, Takeos Verbündeter und Rivale. Takus älterer Bruder, Zenko, hatte die Ländereien seines Vaters im Westen geerbt und Takeo hätte Taku gern auf ähnliche Art belohnt. Doch der jüngere Mann lehnte ab und sagte, es verlange ihn nicht nach Land und Ehren. Er zog es vor, gemeinsam mit Kenji, dem Onkel seiner Mutter, das Netzwerk von Spionen und Spitzeln zu kontrollieren, das Takeo innerhalb des Stammes aufgebaut hatte. Taku war eine Zweckehe mit einem Tohanmädchen eingegangen, das er mochte und das ihm bereits einen Sohn und eine Tochter geschenkt hatte. Man unterschätzte ihn gern, was ihm sehr gelegen kam. In Statur und Aussehen kam er nach der Mutofamilie, in seinem Wagemut und seiner Tapferkeit nach den Arai, und das Leben im Allgemeinen schien eine unterhaltsame und angenehme Erfahrung für ihn zu sein.
    Nun lächelte er, als er antwortete. »Nichts. Sie verweigern jede Auskunft. Mich überrascht nur, dass sienoch leben – Sie wissen ja, die Kikuta töten sich, indem sie sich die Zunge abbeißen! Aber natürlich habe ich noch nicht alles versucht, um sie zum Reden zu bringen.«
    Â»Ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass Folter in den Drei Ländern verboten ist.«
    Â»Natürlich nicht. Aber gilt das auch für die Kikuta?«
    Â»Das gilt für alle«, erwiderte Takeo milde. »Sie haben sich des versuchten Mordes schuldig gemacht und dafür werden sie hingerichtet. In der Zwischenzeit sollen sie anständig behandelt werden. Warten wir erst einmal ab, wie sehr sich ihr Vater um ihre Rückkehr bemüht.«
    Â»Woher sind sie gekommen?«, fragte Sonoda Mitsuru. Er war mit Kaedes Schwester Ai verheiratet, und obwohl seine Familie, die Akita, Gefolgsleute der Arai gewesen waren, hatte man ihn während der allgemeinen Aussöhnung, die auf das Erdbeben gefolgt war, überzeugen können, den Otori die Treue zu schwören. Im Gegenzug hatten er und Ai die Domäne von Inuyama erhalten. »Wo hält sich dieser Gosaburo auf?«
    Â»Wahrscheinlich in den Bergen hinter der östlichen Grenze«, sagte Taku, und Takeo sah, wie die Augen des Mädchens unmerklich die Form änderten.
    Â»Dann werden vorerst keine Verhandlungen möglich sein, denn für die nächste Woche wird der erste Schnee erwartet«, bemerkte Sonoda.
    Â»Im Frühling werden wir ihrem Vater schreiben«, entschied Takeo. »Es kann nicht schaden, wenn Gosaburo von der Ungewissheit über das Schicksal seiner Kinder geplagt wird. Vielleicht facht das seinen Eifer an,sie zu retten. Haltet ihre Identität in der Zwischenzeit geheim und sorgt dafür, dass sie zu niemand anderem als zu euch Kontakt haben.«
    Er wandte sich an Taku. »Dein Großonkel ist in der
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