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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon
Autoren: Douglas - Preston
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Laboratory insgesamt 421 Kilogramm Mondgestein von sämtlichen Apollo-Missionen aufbewahrte. Als das Apollo-Programm acht Monate später beendet wurde, schloss man das Lunar Receiving Laboratory und verlagerte die Sammlung in ein neu erbautes High-Tech-Institut am Johnson Space Center, das Sample Storage and Processing Laboratory, kurz SSPL.
    Irgendwann während dieser acht Monate vor der Verlegung des Gesteins in das neue SSPL verschwand der Stein mit der Nummer 480. Etwa zur selben Zeit verschwanden außerdem alle Einträge zu seiner Entdeckung aus dem EDV-Katalog und aus den Karteien.
    Wenn Sie heute zum SSPL gehen und in der Lunar Sample Registry Database den Eintrag LS480 eingeben, erhalten Sie nur folgende Fehlermeldung:
    SUCHE NACH: LS480
    ?> UNGÜLTIGE KENNUNG/ KENNUNG NICHT VERGEBEN
    BITTE PROBENKENNUNG ÜBERPRÜFEN UND ERNEUT EINGEBEN

TEIL I
    Im Labyrinth

1
    Stem Weathers mühte sich die letzten Meter zum Plateau der Mesa de los Viejos hinauf, band seinen Esel an einen verdorrten Wacholderbusch und ließ sich auf einem staubigen Felsbrocken nieder. Keuchend wischte er sich mit einem Halstuch den Schweiß aus dem Nacken. Ein stetiger Wind strich über das Plateau, zupfte an seinem Bart und brachte nach der stickigen Hitze der Canyons angenehme Kühlung.
    Weathers putzte sich die Nase und stopfte das Tuch in die Tasche. Er betrachtete die vertrauten Formationen und sagte sich stumm die Namen vor – Daggett Canyon, Dead Eye Canyon, Blue Earth, La Cuchilla, Echo Badlands, White Place, Red Place und Tyrannosaur Canyon. Der heimliche Künstler in ihm sah eine Fabelwelt in Gold, Rosarot und Violett; der Geologe in ihm sah stattdessen eine Reihe verworfener Plateaus aus der frühen Kreidezeit, geneigt, gespalten, kahl gefegt und von der Zeit glatt geschmirgelt, als hätte die Unendlichkeit selbst die Erde verwüstet und nur einen Trümmerhaufen aus bizarr geformtem Fels zurückgelassen.
    Weathers zog ein Päckchen Tabak aus einer schmierigen Westentasche und drehte sich mit knotigen, schmutzstarrenden Fingern eine Zigarette. Seine Fingernägel waren gesplittert und gelb verfärbt. Am Hosenbein entfachte er ein Streichholz, zündete die Kippe an und nahm einen tiefen Zug. Während der vergangenen Wochen hatte er seinen Tabak strikt rationiert, aber jetzt konnte er auf den Putz hauen.
    Sein ganzes bisheriges Leben war nur der Prolog zu dieser aufregenden Woche gewesen.
    Das Leben würde sich jetzt schlagartig verändern. Er würde sich mit seiner Tochter Robbie versöhnen, sie hierher bringen und ihr seinen Fund zeigen. Sie würde ihm alles verzeihen, seine Besessenheit, sein unstetes Leben, seine ständige Abwesenheit. Dieser Fund würde alles wiedergutmachen. Er hatte Robbie nie das bieten können, was andere Väter ihren Töchtern so gern gaben – Geld fürs College, ein neues Auto oder einen Zuschuss zur Miete. Jetzt würde er sie aus ihrem Job als Kellnerin im Red Lobster herausholen und ihr das Atelier und die Kunstgalerie finanzieren, von denen sie immer geträumt hatte.
    Weathers kniff die Augen zusammen und blickte zur Sonne auf. Noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Wenn er nicht zusah, dass er weiterkam, würde er den Chama River vor der Dunkelheit nicht mehr erreichen. Salt, sein Esel, hatte seit dem Morgen nichts mehr getrunken, und Weathers konnte jetzt kein totes Tier gebrauchen. Er beobachtete, wie der Esel im Schatten döste und mit angelegten Ohren und zuckenden Lippen von irgendetwas Bösem träumte. Weathers empfand beinahe so etwas wie Zuneigung für das boshafte alte Biest.
    Er drückte die Zigarette aus und schob den Stummel in die Westentasche. Dann trank er einen Schluck aus seiner Feldflasche, goss ein wenig Wasser auf das Halstuch und kühlte sich damit Gesicht und Nacken. Er hängte sich die Feldflasche wieder um, band den Esel los und führte ihn in östlicher Richtung über das kahle Sandsteinplateau. Einen knappen halben Kilometer weiter bildete der Schwindel erregende Abgrund des Joaquin Canyon eine spektakuläre Schlucht in der Mesa de los Viejos, der Mesa der Alten. Diese Schlucht teilte sich in ein verworrenes Geflecht von Canyons, das Labyrinth, und zog sich bis zum Chama River.
    Weathers spähte hinunter. Der Grund der Schlucht lag in blauen Schatten wie unter Wasser. Wo der Canyon eine Biegung nach Westen beschrieb – die Orphan Mesa auf der einen, die Dog Mesa auf der anderen Seite –, entdeckte er in einer Entfernung von etwa acht Kilometern den breiten Eingang des
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