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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon
Autoren: Douglas - Preston
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und still.
    Er kam um die Felsnadel aus Sandstein zum Eingang des Labyrinths. Der Mann, den er erschossen hatte, lag auf dem Boden – nur ein dunkler Umriss im Zwielicht.
    Er blieb stehen. Frische Hufspuren im Sand führten zu der Leiche und wieder weg.
    Er rannte los.
    Der Leichnam lag auf dem Rücken, die Arme eng an die Seiten gedrückt, und ein Halstuch bedeckte das Gesicht. Es war jemand hier gewesen. Dieser Jemand könnte sogar ein Zeuge sein. Er war beritten und mit Sicherheit schon unterwegs zur Polizei.
    Maddox zwang sich zur Ruhe. Sogar zu Pferd würde der Mann ein paar Stunden bis Abiquiú brauchen, und einige Stunden mehr, um mit der Polizei zurückzukehren. Selbst, wenn sie einen Hubschrauber anforderten, musste der erst mal aus Santa Fé hergebracht werden, und das lag gut hundertzwanzig Kilometer südlich von hier. Er hatte noch mindestens drei Stunden Zeit, um das Notizbuch an sich zu nehmen, die Leiche zu verstecken und sich aus dem Staub zu machen.
    Maddox durchsuchte die Leiche, stülpte sämtliche Taschen nach außen und durchwühlte den Rucksack. Seine Hand schloss sich um einen Stein in der Hosentasche des Mannes; er holte ihn heraus und untersuchte ihn im Schein einer Taschenlampe. Das war ganz sicher eine Probe, und auf genau so ein Fundstück hatte Corvus ausdrücklich Wert gelegt.
    Jetzt das Notizbuch. Unbeeindruckt von Blut und Eingeweiden suchte er den Leichnam noch einmal gründlich ab, drehte ihn um, tastete die andere Seite ab und versetzte ihm dann einen frustrierten Tritt. Er blickte sich um. Weathers' Esel stand etwa hundert Meter weiter, noch voll bepackt, und döste.
    Maddox löste den Knoten und zog den Packsattel von dem Tier. Er riss das obere, in Segeltuch gewickelte Bündel herunter, nahm die großen Segeltuchtaschen vom Gestell und kippte den Inhalt auf den Boden. Alles Mögliche fiel heraus: irgendein selbst gebasteltes Elektrogerät, Hämmer, Meißel, einige Landkarten der U.S. Geological Survey, ein kleiner GPS-Empfänger, Kaffeekanne, Bratpfanne, leere Beutel, die offenbar Essbares enthalten hatten, ein Strick zum Anbinden für den Esel, schmutzige Unterwäsche, alte Batterien und ein zusammengefaltetes Stück Pergament.
    Maddox griff nach dem Pergament. Es war eine sehr einfache Karte mit grob gezeichneten Berggipfeln, Flüssen, Felsbrocken, gestrichelten Linien, mit altmodischer Schrift in Großbuchstaben – und dort, in der Mitte: ein fettes, verziertes X in schwarzer Tinte.
    Eine wahrhaftige Schatzkarte.
    Seltsam, dass Corvus die gar nicht erwähnt hatte.
    Er faltete das fettige Stück Pergament wieder zusammen, stopfte es in seine Brusttasche und machte sich dann erneut auf die Suche nach dem Notizbuch. Auf Händen und Knien krabbelte er herum, durchsuchte gewissenhaft die verstreute Ausrüstung und die Vorräte und fand alles, was ein Goldsucher brauchen konnte – bis auf das Notizbuch.
    Wieder betrachtete er das seltsame Elektrogerät. Ein selbst zusammengeschustertes Stück Schrott war das, nur ein zerbeulter Metallkasten mit ein paar Schaltern, Skalen und einem winzigen LED-Display. Corvus hatte nichts davon gesagt, aber das Ding sah wichtig aus. Das würde er lieber auch mitnehmen.
    Er kämmte noch einmal alles durch, öffnete jeden Beutel, schüttete Mehl und getrocknete Bohnen aus, suchte die Packtaschen nach Geheimfächern ab und riss sogar die Fleece-Unterlage des Packsattels heraus. Immer noch kein Notizbuch. Maddox kehrte zu der Leiche zurück, durchsuchte zum dritten Mal die blutgetränkten Kleider und tastete alles nach einem rechteckigen Gegenstand ab. Er fand nur einen schmierigen Bleistiftstummel in der rechten Hosentasche des Toten.
    Er lehnte sich zurück; sein Kopf schmerzte. Hatte der unbekannte Reiter das Notizbuch mitgenommen? War es ein Zufall, dass der Kerl hier aufgetaucht war – oder gab es dafür einen bestimmten Grund? Da kam ihm ein schrecklicher Gedanke: Der Reiter war ein Konkurrent. Er hatte es genauso gemacht wie Maddox: sich an Weathers drangehängt in der Hoffnung, sich dessen Entdeckung unter den Nagel zu reißen. Vielleicht hatte der Kerl das Notizbuch in die Finger gekriegt.
    Na ja, immerhin hatte Maddox die Karte gefunden. Und er hatte den Eindruck, dass die Karte mindestens so wichtig war wie das Notizbuch.
    Maddox sah sich die Szene an – die Leiche, das Blut, den Esel, das verstreute Gepäck. Die Cops waren auf dem Weg hierher. Maddox nahm all seine Willenskraft zusammen, wandte die Meditationstechniken an, die er sich
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